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Zurück zur Sklaverei
05.07.2004








Sowohl Unternehmen als auch Politiker sehen offenbar jetzt die Zeit gekommen, das Rad der Zeit hinsichtlich der Rechte von Arbeitnehmern und ihrer sozialen Absicherung entscheidend zurückzudrehen.

Sicherlich nicht den ersten, aber einen bedeutenden Schritt in dieser Richtung stellte die "Betriebsvereinbarung" des Siemens-Konzerns mit seinen Angestellten dar. Demnach müssen jetzt die von der "Vereinbarung" betroffenen über 4.000 Angestellten 40 Stunden pro Woche arbeiten, ohne hierfür mehr Gehalt zu bekommen. Vorangegangen war die Drohung des Konzerns, Produktion ins Ausland zu verlagern und als Folge mehrere tausend Angestellte in Deutschland zu entlassen.

Während staatliche Stellen immer wieder betonen, sie würden sich keinesfalls erpressen lassen, hat die IG Metall sich hier dem Druck des Konzerns gebeugt, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Nachdem Siemens hier so erfolgreich die Bestimmungen früherer Tarifverträge zu seinen Gunsten verändern konnte ist, kann nicht nur als sicher erachtet werden, daß auch andere Konzerne nach diesem Muster vorgehen - Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bezeichnete die "Einigung" bereits als "Beispiel", sondern auch, daß Siemens in Zukunft erneut diesen Weg einschlagen wird, um so weitere "Anpassungen" zu erreichen.

Am Samstag nun forderte Anton Börner, Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes BGA, gegenüber der "Bild" eine drastische Verringerung der Urlaubstage. "Eine Woche weniger Urlaub bringt keinen um", sagte er. Gegenüber dem Spiegel stellte der DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben die Forderung auf, Urlaub müsse in Zukunft genommen werden, "wenn es die Auftragslage erlaubt" - also nach Gutdünken des Unternehmens. Eine Verkürzung der Urlaubsansprüche um eine Woche wäre rechnerisch gleichbedeutend mit einer weiteren Verlängerung der Wochenarbeitszeit um fast eine Stunde.

Die Bundesregierung plant derweil, Langzeitarbeitslose zwangsweise in Behörden, Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen zu beschäftigen - bei einem Stundenlohn von 1 bis 2 Euro. Hinzu kämen dabei zwar weiterhin die Sozialhilfebezüge - oder nach neuer Sprechweise "Arbeitslosengeld II" - sowie Beihilfen für Wohnung und Heizkosten. Diese Maßnahme nähert sich zumindest in Teilen schon stark an das mittelalterlichen Modell der Leibeigenschaft an. Faktisch ist auch heutigen Sozialhilfeempfängern der Besitz von Immobilien verboten, da sie gezwungen sind, diese zu verkaufen und den Erlös zu "verbrauchen", bevor sie tatsächlich Unterstützung erhalten. Da dies dazu führt, daß nach dieser Frist auch für die Miete von staatlicher Seite aufgekommen werden muß, werden sie hierdurch in noch größere Abhängigkeit gezwungen. Die Zahlung von "Löhnen" von 1 oder 2 Euro pro Stunde wäre letztlich gleichbedeutend mit der unentgeltlichen Nutzung der Arbeitskraft bei kostenloser Unterkunft und Versorgung.

Der Vorwurf von Gewerkschaften, daß hier "Lohndumping" betrieben würde, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich hätte dies eine Signalwirkung auch für die Wirtschaft, die letztlich ebenfalls die Nutzung derart "verbilligter" Arbeitskräfte fordern würde - beispielsweise in Betrieben, denen es wirtschaftlich schlecht geht.

Mindestens ebenso entscheidend wäre aber der hierdurch für die staatlichen Stellen geschaffene Anreiz, Menschen zu entlassen. Die Stellen könnten dann wiederum mit solchen Billigarbeitskräften neu besetzt werden. Letztlich würde sich der Staat also die Möglichkeit schaffen, seine Arbeitsplätze mit Menschen zu besetzen, die aber nur einen Bruchteil des üblichen Gehalts bekommen. Für die "Ermöglichung" dieses "Einsparpotentials" ist eine möglichst hohe Zahl von Arbeitslosen sogar von Nutzen, so daß sich hier noch ein weiterer Interessenkonflikt offenbart.

Als Reaktion auf die Verabschiedung der "Hartz IV" genannten "Zusammenlegung" von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe - "Abschaffung der Arbeitslosenhilfe" wäre sicherlich eine angebrachtere Formulierung - sagte Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbunds: "Wir gehen davon aus, daß es eine halbe Million mehr Kinder in der Sozialhilfe geben wird."

Die Richtung der derzeitigen Entwicklung ist offensichtlich. Unternehmen setzen mit dem Hinweis auf die "schlechte Wirtschaftslage" und die "hohen Lohnkosten" immer neue Forderungen durch, die zu weiteren Benachteiligungen der Angestellten führen, während staatliche Stellen die Absicherungen des Sozialstaats immer weiter kürzen.

Zwar ist eine abschließende Beurteilung, ob bereits in der Vergangenheit genutzte Maßnahmen wie der Verzicht auf Lohnerhöhungen einen positiven Erfolg hatten, kaum möglich, da hierfür letztlich der Blick in ein vollständig identisches Paralleluniversum - allerdings ohne diese "Maßnahmen" - notwendig wäre. Schließlich wäre es theoretisch auch möglich, daß die Arbeitslosenzahlen ohne diese Maßnahmen noch stärker angestiegen wären.

Andererseits lassen sich aber auch viele Argumente dafür finden, daß diese Maßnahmen eben bestenfalls wirkungslos sind. Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit beispielsweise führt eben auch dazu, daß zur Erledigung der vorhandenen Arbeit weniger Menschen benötigt werden. Diese Maßnahme setzt also vollständig auf die Hoffnung, daß die Unternehmen Menschen entlassen können, daraufhin billiger produzieren, mehr verkaufen und am Ende wieder mehr Menschen einstellen, als zu Beginn entlassen wurden.

Eine konsequente Weiterverfolgung dieses in die Vergangenheit führenden Weges der fortgesetzten Benachteiligung der Lohnempfänger und der sozial Schwachen würde zwar sicherlich die Erträge der Unternehmen vergrößern und den Staatshaushalt verbessern, andererseits aber auch vieles, was Menschen innerhalb und außerhalb von Gewerkschaften in den letzten 150 Jahren erkämpft haben, zunichte machen.

Aufgrund des fortgesetzten und anwachsenden Mißverhältnisses des "Überangebots" von Arbeitslosen im Verhältnis zur "Mangelware" Arbeitsplätze taucht bereits der Wegweiser zur Sklaverei am Horizont auf.





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