Ein Artikel der Washington Post vom Sonntag gewährt nicht nur Einblicke in das jeglichen Menschenrechten widersprechende Vorgehen der USA gegen "Terroristen" - oder wer von ihnen dafür gehalten wird - sondern auch in die Folgen der auch in Deutschland immer aggressiver betriebenen "Ausweisungen". Am 18. Dezember 2001 waren die beiden aus Ägypten stammenden Männer Ahmed Agiza und Muhammad Zery gegen 17:00 Uhr ohne Vorwarnung in Schweden verhaftet nachdem eine Stunde zuvor ihre Ausweisung von den Behörden beschlossen worden war. Bereits um 21:47 Uhr befanden sich beide Männer an Bord einer US-Maschine, die sie nach Kairo brachte. Ihre Anwälte wurden erst informiert, nachdem sich die Maschine schon in der Luft befand. Das Außerlandesbringen von Menschen gegen ihren Willen und unter Mißachtung rechtsstaatlicher Verfahren kann nur als "Entführung" bezeichnet werden. Der 42-jährige Agiza war ein Jahr zuvor zusammen mit seiner Frau und ihren fünf Kindern nach Schweden gekommen und hatte dort Asyl beantragt. Ägypten hatte er bereits im Jahr 1991 verlassen. 1999 lebte er im Iran, als er - zusammen mit 106 weiteren Angeklagten - von einem ägyptischen Gericht in Abwesenheit verurteilt wurde, weil er einer verbotenen islamischen Organisation angehört hatte. Seine Anwälte räumen ein, daß Agiza in Ägypten Kontakt zu Ayman Zawahiri gehabt hatte und auch Mitglied der Organisation "Ägyptischer Islamischer Jihad", die sich später mit Al-Qaida verbunden haben soll, war. Bei einem Interview im Jahr 2002 sagte Agiza gegenüber einem schwedischen Reporter im Gefängnis in Ägypten, daß er ein Mal Osama bin Laden getroffen habe. Nach Aussage seiner Anwälte hatte Agiza aber schon vor 10 Jahren die Verbindung zu Zawahiri beendet und verurteilt das gewalttätige Vorgehen von Organisationen wie Al-Qaida. Es ist nicht klar, ob er Muhammad Zery kannte. Auch der 35 Jahre alte Zery hatte Ägypten im Jahr 1991 verlassen, nachdem er dort bedroht und mißhandelt worden war. Über Saudi-Arabien und Syrien kam er schließlich 1999 nach Schweden. Nach Auskunft der schwedischen Behörden war auch Zery in Abwesenheit verurteilt worden. Auch sei er ein Verdächtiger bei der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat im Jahr 1981. Damals war Zery allerdings erst 13 Jahre alt. Zerys Anwälte als auch Menschenrechtsorganisationen sagen allerdings, daß nichts gegen Zery vorliege und sie daher nicht nachvollziehen könnten, warum er ausgewiesen wurde. "Die Repräsentanten der [schwedischen] Regierung haben in dieser Angelegenheit von Anfang an gelogen oder nicht die volle Wahrheit gesagt", so Kjell Jonsson, Zerys Anwalt. Tatsächlich ist Zery im Oktober letzten Jahres aus der Haft entlassen worden, allerdings wird ihm untersagt, das Land zu verlassen und er steht offensichtlich unter Beobachtung des ägyptischen Geheimdienstes. In der vergangenen Woche hatte er in einem Telephongespräch zugestimmt, einem Journalisten ein Interview zu geben. Nur eine Stunde später sagte er das Interview ab, da ihm ein ägyptischer Beamter befohlen habe, nicht zu sprechen. Während Zery also nach fast zwei Jahren entlassen wurde ohne jemals angeklagt worden zu sein, befindet sich der in einem nur sechs Stunden dauernden Verfahren vor einem Militärtribunal zu 25 Jahren Gefängnis verurteilte Agiza weiterhin in Haft. Sechs Tage vor der Ausweisung hatte sich die schwedische Regierung von Ägypten einem vertraulichen Memo schwedischer Diplomaten zufolge zusichern lassen, daß beide Männer faire Verfahren erhalten würden und "nicht Opfer von unmenschlicher Behandlung oder Bestrafungen, gleich welcher Art, werden" würden. Anscheinend ist die ägyptische Seite der Ansicht, daß Folter keine "unmenschliche Behandlung" darstellt. Nach Aussage der Anwälte beider Männer, ihrer Angehörigen und auch von Menschenrechtsorganisationen sind beide regelmäßig mit Elektroschocks und anderen Methoden gefoltert worden. "Folter ist eine systematische Sache in diesen Gefängnissen", sagte Mohammed Zarai, Direktor des Menschenrechtszentrums für Gefangenenunterstützung in Kairo. "Jedes Mal, wenn ihn diese Leute besuchten, wurde er, sowie sie gingen, geschlagen und gefoltert. Sie fragten ihn: ... Fordern sie die Schweden auf, herzukommen?" Über einen Monat nach der Ausweisung hatten schwedische Beamte die beiden Männer im Gefängnis besucht. Der schwedische Botschafter in Ägypten, Sven Linder, schrieb später in einem veröffentlichten Bericht, Agiza und Zery hätten ihm gesagt, sie würden "ausgezeichnet" behandelt werden. Auch erschienen sie ihm "wohlgenährt und zeigten keine äußeren Anzeichen von körperlicher Mißhandlung oder solchen Dingen." Bei der Befragung waren Gefängniswärter anwesend und das Gespräch erfolgte ausschließlich über einen vom ägyptischen Geheimdienst gestellten Übersetzer. Wie ein erst kürzlich freigegebener, bis dahin der Geheimhaltung unterliegender Teil des Berichts zeigt, hatte sich Agiza allerdings darüber beschwert, daß er während seiner Verhaftung durch die schwedische Polizei "übermäßiger Brutalität" ausgesetzt gewesen und mehrfach in ägyptischen Gefängnissen geschlagen worden sei. Nach Aussage seiner Familie und seiner Anwälte ist er später für diese Aussagen schwer bestraft und aufgefordert worden, bei zukünftigen Besuchen zu schweigen. Seine Mutter Hamida Shalaby berichtete in einem Interview von einem Besuch im Gefängnis: "Er konnte nicht einmal die Arme heben, um mich zu umarmen. Er war sehr langsam und sehr müde und sehr schwach." Offenbar waren US-Behörden - hier insbesondere die CIA - nicht nur bei der Ausweisung beider Männer "behilflich", sondern haben die gesamte Aktion zum großen Teil geleitet und ausgelöst. Bo Johansson, ein Anwalt Agizas, berichtete, daß schwedische Diplomaten gegenüber Agizas Eltern gesagt haben, daß er aufgrund "internationalen Drucks" deportiert worden sei. Am 12. April 2002 schrieben Anwälte des schwedischen Justizministeriums in einer Aktennotiz, daß "der Transport von Schweden nach Ägypten mit Unterstützung der amerikanischen Behörden durchgeführt worden ist" - angesichts weiterer Fakten sicherlich eine mehr als nur vorsichtige Umschreibung. Das für die Deportation genutzte Flugzeug, eine Gulfstream V, gehört dem US-Unternehmen "Premier Executive Transport Services" (PETS). Einem Bericht der schwedischen Fernsehsendung "Kalla Fakta" zufolge bietet das Unternehmen seine Dienste ausschließlich der US-Regierung an. "Wir vermieten nur über die US-Regierung, wir haben einen langfristigen Vertrag mit ihnen", so Mary Ellen McGuinness von PETS. PETS ist es gestattet, "weltweit" auf US-Militäreinrichtungen zu landen. Der Flughafenpolizist Paul Forell, dessen Büro am 18. Dezember als Arrestzelle für die beiden Gefangenen benutzt wurde, berichtete in einem Interview, daß die beiden Männer in Anzügen, die ihn aufforderten, sein Büro zur Verfügung zu stellen, nicht schwedisch, sondern englisch sprachen. Außerdem ist er sich aufgrund ihrer Sprechweise sicher, daß es sich um Amerikaner gehandelt hat. Kurze Zeit später, nachdem zwei schwedische Polizeioffiziere in Uniformen hinzugekommen waren, trafen die Gefangenen in Begleitung von 6 Sicherheitsbeamten ein. Diese 6 Personen gaben sich offenbar größte Mühe, ihre Identität geheimzuhalten. Nicht nur, daß sie sich nur im Flüsterton Befehle erteilten, so daß es Forell nicht möglich war, aus ihren Worten auf ihre Nationalität zu schließen, sie trugen außerdem alle Masken. "Es schien, als hätten sie so etwas schon zuvor gemacht. Sie waren sehr professionell", so Forell. Die Beteiligung der schwedischen Behörden beschränkte sich also offensichtlich auf die Unterzeichnung der Ausweisungspapiere und die - vermutliche - Anwesenheit von zwei schwedischen Polizisten. Die CIA bezeichnet diese Vorgehensweise - die schnelle, gewaltsame und rechtswidrige Verbringung von Verdächtigen in ein anderes Land - als "außergewöhnliche Umsetzungen". Hierdurch wird die "Befragung" der Betreffenden äußerst erleichtert, da einerseits in "befreundete Länder" abgeschoben wird, diese andererseits aber dafür bekannt sind, Menschenrechte zu ignorieren und im Umgang mit Gefangenen Gewalt für mehr als nur ein akzeptables Mittel halten. CIA-Beamte haben vor dem US-Kongreß erklärt, daß es vor 2001 zu ungefähr 70 dieser Fälle gekommen ist. Seitdem US-Präsident George W. Bush den "Krieg gegen den Terror" erklärt hat, hat diese Praxis stark zugenommen. Angesichts dieser Informationen ist es kaum verwunderlich, daß Metin Kaplan es vorzog, kurzfristig unterzutauchen, um einer eben solchen "Eilausweisung" zu entgehen. Auch die Bestrebungen der Hamburger Innenbehörde, Abdelghani Mzoudi und Mounir al-Motassadeq um jeden Preis auszuweisen, stehen hierdurch nicht unbedingt in einem besseren Licht. Impressum und Datenschutz contact: EMail |