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Ist Folter patriotisch?
17.10.2004








Der britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, ist am vergangenen Donnerstag entlassen worden. Ein Bericht des britischen Independent vom Samstag läßt keinen Zweifel daran, daß der Grund hierfür ist, daß Murray sich wiederholt gegen die Menschenrechtsverletzungen der usbekischen Regierung ausgesprochen hat.

Der heute 46-Jährige war im August 2002 in die usbekische Hauptstadt Taschkent entsandt worden und war Großbritanniens jüngster Botschafter. Schon zwei Monate später kritisierte er in einer Rede die Regierung Usbekistans unter dem Präsidenten Islam Karimov scharf wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen. Gegenüber einer Menschenrechtsorganisation sagte er: "Keine Regierung hat das Recht, den Krieg gegen den Terrorismus als Entschuldigung für die Verfolgung jener mit einer tiefen persönlichen Hingabe an die islamische Religion und die ihre Ansichten mit friedlichen Mitteln verfolgen, zu benutzen."

Die Folter ist in Usbekistan Berichten zufolge Teil der üblichen "Ermittlungsarbeit" der Behörden. Zwei Gegner Karimovs sollen sogar zu Tode gekocht worden sein.

Zum Zeitpunkt von Murrays Entsendung nach Usbekistan war das Land allerdings bereits zu einem Partner der USA in ihrem "Krieg gegen den Terror" aufgestiegen - auch wenn die USA vor dem 11. September 2001 das Land noch wegen seiner Folterpraxis scharf kritisiert hatten. Die USA hatten ein Abkommen mit Usbekistan unterzeichnet, demzufolge sie für die Nutzung einer Militärbasis in dem Land jährlich 75 Millionen US-Dollar zahlen würden.

Im Dezember 2002 schickte Murray ein Telegramm an den britischen Außenminister Jack Straw und beschwerte sich darüber, daß Informationen, die Gefangenen offensichtlich durch Folter abgepreßt worden waren, von Großbritannien verwendet wurden. Dies sei nicht nur rechtlich und moralisch falsch, sondern würde auch zu unzuverlässigen Informationen führen, die daraufhin an die USA weitergegeben würden. Er befürchtete, daß es das Ziel der usbekischen Regierung war, die USA und Großbritannien durch mit Folter erlangte "Informationen" davon zu überzeugen, daß das Land ein ebenso enger wie hilfreicher Verbündeter sei.

Im Februar 2003 verfaßte er eine weitere interne Mitteilung, nachdem seine erste offenbar nicht beachtet worden war. Im März wurde er dann zu einem Treffen nach London gerufen, was allerdings deutlich anders verlief, als er gehofft hatte. Das Außenministerium erklärte, daß Großbritannien zwar keine Menschen foltere, um an Informationen zu gelangen, die durch Folter erlangten Informationen allerdings das Risiko wert seien, um britische Staatsbürger zu schützen.

Ende März besuchte ihn sein Vorgesetzter in Taschkent. "Er sagte mir, ich sei unpatriotisch. Ich war wirklich sprachlos, weil ich mich selbst als ziemlich patriotisch betrachte."

Sein Vorgesetzter warf ihm also vor, unpatriotisch zu sein, weil er die Folter in Usbekistan und deren Nutzung durch die britischen Behörden kritisierte. Im Umkehrschluß muß Folter also patriotisch sein.

Nach diesem Besuch wurde es zwar nach seinen Worten "eigenartig ruhig" um die Angelegenheit, es begannen aber verschiedenste Gerüchte über ihn zu kursieren. Im darauffolgenden Juli teilte man ihm während seines Urlaubs in Kanada mit, daß gegen ihn ein Verfahren wegen 16 verschiedener Amtsvergehen eröffnet worden war. Zu den Anschuldigungen gehörte die Gewährung von Visas im Tausch für Sex, Trunkenheit während des Dienstes und daß er ein Dienstfahrzeug Stufen zum Strand heruntergefahren habe.

Für keine der Beschuldigungen wurden Beweise vorgelegt - Murray hat nicht einmal einen Führerschein - und alle bis auf eine wurden dementsprechend auch fallengelassen. Diese eine war, daß er die Vorwürfe gegen ihn veröffentlicht hatte.

Er wurde schließlich freigesprochen und als Botschafter wiedereingesetzt. Im Mai dieses Jahres kritisierte er öffentlich die Medien Usbekistans, weil sie die staatliche Propaganda kritiklos wiederholten.

Im Juli sandte er schließlich eine weitere interne Mitteilung nach London, in der er die Nutzung der "Informationen" kritisierte. Das Außenministerium entzog ihm daraufhin seinen Status als Geheimnisträger. Hierdurch war es ihm nicht mehr möglich, geheime Nachrichten zu lesen oder geheime Treffen abzuhalten.

Am Montag schließlich veröffentlichte die Financial Times diese letzte Mitteilung Murrays an das Außenministerium. Murray bestreitet vehement, daß er die Mitteilung an die Presse gegeben hat, was ihm aber zur Last gelegt wird. Als Folge wurde er entlassen.

Alison Gill, Expertin für Usbekistan der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), sagte: "Das gibt das falsche Signal zum falschen Zeitpunkt. Die Usbeken müssen jetzt erleichtert aufatmen." Steve Crawshaw von HRW sagte, die Entlassung Murrays würde den Eindruck erwecken, die britische Regierung wolle die offene Diskussion über die Vorwürfe zum Schweigen bringen.

Menzies Campbell, der Sprecher für auswärtige Angelegenheiten der Liberal-Demokraten sagte: "Insofern es den Anschein hat, daß Herr Murray die Nutzung von auf Folter beruhenden Informationen angegriffen hat, verdient er eine Belobigung."

Es bleibt abzuwarten, ob eine von Jack Straw jetzt angeordnete "Überprüfung" der Nutzung der "Informationen" eine Änderung des britischen Standpunkts bewirkt. Die Nutzung der "Informationen" durch die USA wird dies allerdings mit Sicherheit nicht beeinflussen.





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