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"Noch vor zwei Jahren"

Terrorpanik in Hamburg

26.08.2005  






Wie zahlreiche Medien berichteten, hat ein Großaufgebot von 1.000 Polizisten am Donnerstag bis in die frühen Morgenstunden des Freitags in Hamburg nach drei "Terrorverdächtigen" gefahndet.

Auslöser hierfür war, daß sich ein Zeuge, ein Ägypter, gemeldet hatte, der aussagte, er habe am Mittwochabend an der Bushaltestelle vor der U-Bahnstation Holstenstraße Teile eines Gesprächs von drei Arabisch sprechenden jungen Männern mitangehört. Dabei sei "ein Satz wie" "Wir werden morgen als Held vor Allah stehen" gefallen. Außerdem habe einer der Männer einen Rucksack bei sich gehabt, so der Hamburger Polizeivizepräsident Michael Daleki.

Allein diese Informationen führten zu der genannten Großfahndung - die schließlich am Freitagmorgen ergebnislos abgebrochen wurde - und der Veröffentlichung von Bildern der drei Männer, die von einer Überwachungskamera in einem Bus aufgenommen wurden. Und sie führten auch einmal mehr zu Vorverurteilungen durch die Medien. So titelte der Focus anfangs mit "1000 Polizisten jagen Terroristen" - zwischenzeitlich wurde dies zu "Hamburger jagen Terror-Verdächtige" abgemildert.

Gleichgültig, ob der Zeuge sich nur verhört hat, die drei Männer einfach unsympathisch fand, die Polizei Hamburgs in Aufregung versetzen wollte oder der Satz von den "Helden vor Allah" tatsächlich gefallen ist, so ist die hier gezeigte Terrorhysterie kaum nachvollziehbar. Nicht nur, daß ein Anschlag der "mitgehörten Aussage" zufolge zum Zeitpunkt des Beginns der Fahndung bereits ausgeführt gewesen worden wäre, es gibt auch zahllose andere Erklärungen für diesen Satz. Möglich, daß die drei Männer sich verabredet hatten, um gemeinsam Blut zu spenden oder sich sogar als Knochenmarkspender registrieren wollten. Möglich, daß sie bisher nicht den Regeln des Islam gemäß gelebt hatten und dies nun gemeinsam ändern wollten. Möglich auch, daß sie beispielsweise in die Linkspartei eintreten wollten, um so den sozial Unterdrückten beizustehen.

Selbstverständlich ist es auch nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, daß die Männer nicht doch einen Anschlag planten oder planen. Ebensowenig ist es aber mit absoluter Sicherheit auszuschließen, daß beispielsweise der Hamburger Innensenator Udo Nagel plötzlich dem "Ruf bin Ladens" folgt. Und ebenso kann nicht mit absoluter Gewißheit sichergestellt werden, daß die nette alte Dame, die an einer Bushaltestelle wartet und trotz strahlendem Sonnenschein einen Regenschirm umklammert hält, diesen nur aus abgrundtiefem Mißtrauen gegenüber dem Wetter mit sich führt. Vielleicht handelt es sich insgeheim vielmehr um eine wütende Furie, die nur darauf wartet, dem nächsten Fahrradkurier eben jenen Regenschirm in die Speichen zu rammen, weil sie vor Jahren einmal von einem seiner Kollegen angefahren worden ist.

Wenn das Mitführen eines Rucksacks und ein vermutlich völlig harmloser Satz - so er denn überhaupt gefallen ist - drei offenbar unbescholtene Männer - andernfalls wäre es der Polizei sicherlich gelungen, sie zwischenzeitlich zu identifizieren - zu gesuchten "Terrorverdächtigen", ja sogar "Terroristen" zu machen, so scheint es im Zuge der Verbrechensvorbeuge auch empfehlenswert, alten Damen ihre Regenschirme und natürlich auch ihre Gehhilfen wegzunehmen.

Udo Nagel erklärte, "vor zwei Jahren wäre man mit solchen Hinweisen" noch anders umgegangen, dies sehe nach den Anschlägen in London aber anders aus. Die Polizei wiederum forderte die gesuchten Männer auf, sich bei der Polizei zu melden.

Angesichts der Ermordung von Jean-Charles de Menezes in der Londoner U-Bahn durch britische Polizisten, weil sie glaubten, einen "Terroristen" vor sich zu haben, insbesondere der Hamburger Deportationspraxis und der nicht geringen Wahrscheinlichkeit eines verlängerten Aufenthaltes im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay als "Terrorverdächtiger" dürfte die Bereitschaft der Männer, sich tatsächlich freiwillig zu melden, vor zwei Jahren ebenfalls noch wesentlich größer gewesen sein.





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