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Unterschiedliche Ansichten

Dichter, Laura Bush und die Kriegspolitik

23.09.2005  






Laura Bush, Ehefrau des US-Präsidenten George W. Bush, organisiert seit Jahren immer wieder Veranstaltungen um Bücher und mit Dichtern im Weißen Haus in Washington. Nun ist es hier erneut zu einem Eklat gekommen.

Immer Februar 2003 war ein Dichterforum von ihr kurzfristig abgesagt worden, weil sie "befürchtete", daß einige der eingeladenen Dichter die Veranstaltung nutzen würden, um gegen den damals kurz bevorstehenden Angriffskrieg gegen den Irak zu protestieren.

"Während Frau Bush das Recht aller Amerikaner respektiert, ihre Meinung zu sagen, hat auch sie Meinungen und glaubt, daß es unpassend wäre, eine Literaturveranstaltung in ein politische Forum zu verwandeln", sagte damals ihre Sprecherin Noelia Rodriguez.

Zu den von Laura Bush gefürchteten politischen Protesten gehörte die Ankündigung der Dichterin Marilyn Nelson, einen mit Friedenssymbolen bedruckten Seidenschal bei der Veranstaltung tragen zu wollen. Während sie sich für eine Teilnahme entschieden hatte, weil sie glaubte, ihre "Anwesenheit würde den Frieden fördern", hatte der bekannte Dichter Sam Hamill die Einladung zu dem Forum ausgeschlagen und Teilnehmer ermuntert, Protestgedichte vorzutragen.

In einem am Montag in The Nation veröffentlichten offenen Brief an Laura Bush begründet die Dichterin Sharon Olds, warum sie Bushs Einladung für eine Lesung aus ihren Werken anläßlich des "National Book Festival" ("Nationales Buchfest") am Samstag ebenfalls ausschlägt:

"Sehr geehrte Frau Bush,

Ich schreibe, um Sie zu informieren, warum ich nicht in der Lage bin, Ihre freundliche Einladung, eine Vorstellung beim National Book Festival am 24. September zu geben, zu akzeptieren oder ihrem Abendessen in der Bibliothek des Kongresses oder dem Frühstück im Weißen Haus beizuwohnen.

Auf eine Art ist es eine sehr reizvolle Einladung. Der Gedanke, bei einem Fest zu sprechen, das von 85.000 Menschen besucht wird, ist begeisternd! Die Möglichkeit, neue Leser zu finden, ist für einen Dichter auf persönlicher Ebene aufregend und auf der Ebene des Verlangens, daß die Lyrik ihren Bestandteilen dient - uns allen, die wir die Befriedigung und die inneren und äußeren Neuigkeiten, die sie bringt, brauchen.

Und das Konzept einer Gemeinschaft von Lesern und Schreibern liegt mir seit langem am Herzen. Als Professorin für Kreatives Schreiben an der Hochschule für Aufbaustudien einer bedeutenden Universität hatte ich die Gelegenheit, Teil einiger Schreib-Seminare mit einer großartigen Reichweite, in denen unsere Studenten zu Lehrern wurden, zu sein. Im Verlauf der Jahre haben sie in zahlreichen Situationen gelehrt: ein Frauengefängnis, mehrere öffentliche Oberschulen in New York, eine Krebsstation für Kinder. Unser erstes Programm, ein staatliches Krankenhaus mit 900 Betten für körperlich schwer Behinderte, läuft nun seit 20 Jahren und hat währenddessen andauernde Freundschaften zwischen Studenten der bildenden Künste und ihren Schülern - Langzeitbewohnern des Krankenhauses, die durch ihren Humor, ihren Mut und ihre Weisheit zu unseren Lehrern geworden sind - geschaffen.

Wenn man jemanden beobachtet, wie jemand, der nicht spricht und sich fast nicht bewegen kann, mit seinem Zeh auf einer Tafel mit einem großen Plastikalphabet Buchstabe für Buchstabe sein neues Gedicht buchstabiert, hat man aus nächster Nähe die Leidenschaft und die Lebensnotwendigkeit des Schreibens erfahren. Wenn man ein kleines Pappalphabet für eine Autorin hochgehalten hat, der vollständig stumm und bewegungsunfähig ist (abgesehen von seinen Augen) und zuerst auf das A gezeigt hat, dann das B, dann C, dann D, bis man den ersten Buchstaben des ersten Wortes der ersten Zeile des Gedichts erreicht, das sie in ihrem Kopf die ganze Woche über verfaßt hat und sie ihre Augen hebt, wenn man diesen Buchstaben erreicht, um ja zu sagen, fühlt man mit einer neuen Unmittelbarkeit den menschlichen Drang nach Kreativität, Ausdruck des Selbsts, Genauigkeit, Ehrlichkeit und Witz - und die Wichtigkeit des Schreibens, das den Wert der einzigartigen Geschichte einer jeden Person begeht.

Der Ausblick auf ein Buchfest erschien mir also wundervoll. Ich dachte an die Gelegenheit, darüber zu sprechen, wie man ein solches Hilfsprogramm beginnt. Ich dachte an die Möglichkeit, einige Bücher zu verkaufen, einige Bücher zu signieren und einige der Bewohner von Washington, D.C. zu treffen. Ich dachte, ich könnte einen Weg finden, selbst als Ihr Gast, respektvoll über mein tiefes Gefühl zu sprechen, daß wir nicht hätten in den Irak einmarschieren dürfen und meine Überzeugung zu erklären, daß der Wunsch, in eine andere Kultur und in ein anderes Land einzudringen - mit dem resultierenden Verlust für Leib und Leben unserer mutigen Soldaten und der Zivilisten in ihrem Heimatland - nicht aus unserer Demokratie kam, sondern stattdessen eine 'an der Spitze' getroffene Entscheidung war, die den Menschen mit verzerrter Sprache und mit Unwahrheiten aufgezwungen wurde. Ich hoffte, der Angst Ausdruck zu verleihen, daß wir begonnen haben, in den Schatten einer Tyrannei und des religiösen Chauvinismusses - den Gegenteilen von Freiheit, Toleranz und Vielfalt, die unsere Nation anstrebt - zu leben.

Ich versuchte, meinen Weg klar zu sehen, um dem Fest beizuwohnen, um Zeugnis abzulegen - als eine Amerikanerin, die ihr Land und seine Prinzipien und seine Schriften liebt - gegen diesen nicht erklärten und zerstörerischen Krieg.

Aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, das Brot mit Ihnen zu brechen. Ich wußte, daß, wenn ich mich niedersetzte, um mit Ihnen zu essen, ich mich fühlen würde, als duldete ich stillschweigend, was ich als die wilden, willkürlichen Handlungen der Bush-Regierung betrachte.

Was mir immer wieder in den Sinn kam, war, daß ich die Nahrung aus der Hand der First Lady empfangen würde, die die Regierung repräsentiert, die diesen Krieg entfesselt hat und seine Fortsetzung will, selbst bis zu dem Ausmaß des Erlaubens von 'außergewöhnlichen Überstellungen': Menschen in andere Länder zu fliegen, wo sie für uns gefoltert werden.

So viele Amerikaner, die auf unser Land stolz waren, empfinden nun Qual und Schande wegen des aktuellen Regimes von Blut, Wunden und Feuer. Ich dachte an die sauberen Decken auf Ihrem Tisch, die glänzenden Messer und die Flammen der Kerzen und ich konnte es nicht ertragen."





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