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"In Blut getränkt"

Schuld in Zeiten des Krieges

25.09.2005  






Am Samstag veröffentlichte der britische Independent einen Kommentar eines ehemaligen US-Soldaten, der aufgrund seiner Erfahrungen im Irak den Dienst aus Gewissensgründen verweigert hat.

Am 12. September 2001 meldete sich Hart Viges freiwillig für das US-Militär, da er glaubte, er könne so "etwas in der Welt zum besseren ändern". Nach seiner Ausbildung zum Fallschirmspringer wurde er im Februar 2003 mit der 82. US-Luftlandedivision nach Kuwait verlegt. Aufgrund des schnellen Vordringens der 3. Infanteriedivision brauchte er nicht über dem Flughafen von Baghdad abspringen sondern fuhr in den Irak hinein. Seine Erinnerungen beantworten ein weiteres Mal die Frage, warum die US-Soldaten im Irak nie als die "Befreier" gefeiert wurden, die sie glaubten - oder vorgaben - zu sein.

"Als wir in Samawa hineinfuhren, um ihren Nachschub zu sichern, ließ mein Mörser-Zug zahlreiche Granaten auf diese Stadt fallen. Ich sah, wie Kiowa-Kampfhubschrauber Hellfire-Rakete um Hellfire-Rakete abfeuerten. Ich sah ein Kampfflugzeug C-130 'Spectre' ... es ebnet eine Stadt ein. Es hatte Artilleriegranaten auf einer Gurtzuführung und hatte sie mit ihren Super-Gatling-Kanonen unter Beschuß.

Ich weiß nicht, wieviele Unschuldige ich mit meinen Mörsergranaten getötet habe. Ich habe meine Phantasie, um mir das auszumalen. Aber ich erinnere mich genau an den Funkspruch 'Grünes Licht für alle Taxis. Der Feind benutzt sie zum Transport'.

Einer unserer Scharfschützen fragte per Funk zurück 'Entschuldigung, aber habe ich den Befehl richtig verstanden? Grünes Licht für alle Taxis?' 'Richtig, Soldat, Sie hängen sich besser rein.' Ganz plötzlich flog die Stadt in die Luft. Egal, ob in dem Taxi ein Unschuldiger war - wir feuerten eine Mörsergranate darauf, Scharfschützen eröffneten das Feuer.

Als nächstes kam Fallujah. Wir gingen ohne einen Schuß hinein. Aber die Charlie-Kompanie entschied sich, eine Schule als Hauptquartier zu übernehmen. Demonstranten kamen und sagten 'Bitte verlaßt unsere Schule. unsere Kinder brauchen diese Schule. Wir brauchen Bildung.'

Sie schickten sie weg. Sie kamen zurück, etwa 40 bis 50 Menschen. Einige hatten die glänzende Idee, mit AK-47s in die Luft zu schießen. Nun, einige der Kugeln fielen in die Schule ... Sie mähten die Gruppe Menschen nieder."

Nachdem seine Einheit in Baghdad angekommen war, veränderte ein Erlebnis sein Leben einschneidend. Tötete er zuvor Menschen auf größere Entfernung, so daß er sich wahlweise einreden konnte, niemanden getötet zu haben oder daß es sich gemäß seiner Ausbildung nicht einmal um Menschen handelte, so stellte er fest, daß es sich bei den Gegnern eben doch auch um Menschen wie ihn handelte, als er sich zwei Irakern mit Panzerfäusten gegenübersah.

"Ich ziele auf seine Brust, mein finger ist am Abzug. Und ich bin dazu ausgebildet zu töten, aber dies ist kein Schwarzer Mann, dies ist kein Feind. Dies ist ein menschliches Wesen. mit den gleichen Ängsten und Zweifeln und Sorgen. Die gleiche verdrehte Situation."

Dieses Mal schoß er nicht und ihm wurde klar, wie sehr er zuvor manipuliert worden war, um dies immer wieder ohne nachzudenken zu tun.

"Sie versuchten mich gefühllos zu machen, sie versuchten mir meine Menschlichkeit zu nehmen. Sie versuchten mir zu sagen, daß das kein menschliches Wesen ist - daß es ein weiches Ziel ist."

Nach seiner Rückkehr in die USA reichte er seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen ein, der auch akzeptiert wurde. Dies konnte aber nicht die Wunden in seiner Seele heilen.

"Ich konnte mir nicht die Pulsadern aufschneiden. Also rief ich die Polizei. Sie traten meine Tür ein. Ich habe mein Messer in der Hand. 'Erschießt mich.' Plötzlich war ich der Mann mit der Panzerfaust, auf den alle Waffen gerichtet wurden und dachte 'Ja, wir können die Probleme der Welt lösen, indem wir uns gegenseitig töten.' Wie verrückt ist das? Glücklicherweise überlebte ich die Phase. Man kann sich nicht die Hände waschen, wenn sie mit Blut getränkt sind. Die Wunden bleiben. Das ist, was Krieg deiner Seele, deiner Menschlichkeit, deiner Familie antut."





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