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"Friedensverrat"

Neue Strafanzeige gegen Bundesregierung wegen deutscher Beteiligung am Irakkrieg

23.10.2005  


Pressemitteilung von Armin Fiand und Alexander Bahr




In einem Urteil vom 22. Juni diesen Jahres hatte das Bundesverwaltungsgericht gegen den deutschen Beitrag zum Irakkrieg "gravierende völkerrechtliche Bedenken" geäußert. Gestützt auf dieses Urteil, haben der Rechtsanwalt Armin Fiand und der Historiker und Publizist Dr. Alexander Bahar nun erneut Strafanzeige gegen die verantwortlichen Mitglieder der deutschen Bundesregierung wegen "Friedensverrats" erstattet.

Im Krieg der USA und ihrer "Koalition der Willigen" gegen den Irak stand Deutschland nicht abseits. Die deutsche Bundesregierung hat den angreifenden Staaten unter anderem Überflug-, Bewegungs- und Transportrechte eingeräumt. Generalbundesanwalt Kay Nehm hat es bisher aber strikt abgelehnt, ein Ermittlungsverfahren gegen Bundeskanzler Schröder, Bundesaußenminister Fischer und Bundesverteidigungsminister Struck wegen des Verdachts des "Friedensverrats" einzuleiten.

Artikel 26 des Grundgesetzes verbietet die Vorbereitung eines Angriffskrieges. Paragraph 80 Strafgesetzbuch (StGB) droht demjenigen, der sich über dieses Verbot hinwegsetzt, eine empfindliche Freiheitsstrafe an.

Hierauf gestützt, waren zu Beginn des Irakkrieges zahlreiche Strafanzeigen erstattet worden, die Kay Nehm allesamt zurückgewiesen hat. Im Wesentlichen hat er seine Weigerung, Ermittlungen aufzunehmen, damit begründet, dass sich aus dem Völkerrecht nicht eindeutig ergebe, was unter einem "Angriffskrieg" zu verstehen sei. Paragraph 80 StGB könne auch schon deshalb nicht angewendet werden, weil die Unterstützungshandlungen Deutschlands nicht ein solches Gewicht hätten, dass sie als Kriegsbeteiligung angesehen werden könnten. Im Übrigen hätte die Unterstützung den von Deutschland übernommenen Bündnisverpflichtungen entsprochen. Die Frage, ob der Krieg gegen den Irak völkerrechtswidrig war, hat der Generalbundesanwalt offengelassen, weil sie angeblich nicht entscheidungserheblich sei.

Auch die von dem Hamburger Rechtsanwalt Armin Fiand und dem Historiker und Publizisten Dr. Alexander Bahar eingereichten Anzeigen wurden auf diese Weise abschlägig beschieden. Die dagegen erhobenen Gegenvorstellungen und Dienstaufsichtsbeschwerden hatten keinen Erfolg.

Dr. Bahar und Rechtsanwalt Fiand haben sich nunmehr erneut mit einer gemeinsamen Eingabe an den Generalbundesanwalt gewandt, weil sie der Auffassung sind, daß sich inzwischen neue Erkenntnisse ergeben haben, die es erforderlich machen, den Vorgang wieder aufzugreifen, Ermittlungen einzuleiten und Anklage zu erheben. Diese neuen Erkenntnisse leiten sie insbesondere aus folgenden Fakten her:

- Nach einer Studie, die von Wissenschaftlern aus den USA und dem Irak gemeinsam erstellt und im Oktober 2004 in dem renommierten Wissenschaftsmagazin "The Lancet" veröffentlicht wurde, waren dem Krieg gegen den Irak bis zu diesem Zeitpunkt über 100.000 irakische Menschen, vor allem Frauen und Kinder, zum Opfer gefallen.

- Dafür gab und gibt es keine Rechtfertigung, weil nach der fast einhelligen Meinung aller namhaften Völkerrechtler der Krieg gegen den Irak völkerrechtswidrig war. Der ehemalige US-amerikanische Außenminister Colin Powell hat dies jüngst sogar selbst bestätigt, indem er erklärt hat, seine Rede im Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat, in der er "überzeugende Beweise" für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak und für die Komplizenschaft des Irak mit Al-Qaida präsentiert hatte, sei ein "Schandfleck" in seiner politischen Karriere, er fühle sich "furchtbar", daß die angeblichen Beweise falsch gewesen seien.

- Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem 136 Seiten umfassenden Urteil vom 22. Juni 2005, das weithin Aufsehen erregte, mit der Frage befasst, ob der Krieg gegen den Irak völkerrechtlich zulässig war beziehungsweise ist, und wie die von der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Unterstützungshandlungen völkerrechtlich einzuordnen sind. Nicht nur gegen die Rechtfertigung des Krieges, auch gegen den deutschen Beitrag machte das Gericht "gravierende völkerrechtliche Bedenken" geltend. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts verstieß der Irak-Krieg eindeutig gegen die UN-Charta. Die deutschen Unterstützungsleistungen seien nicht geringfügig, sondern erheblich. Das Staatsgebiet Deutschlands sei als Ausgangspunkt oder "Drehscheibe" für gegen den Irak gerichtete militärische Aktionen benutzt worden. Das gelte vor allem für die gewährten Überflugrechte. Indem die BRD ihr Hoheitsgebiet anderen Staaten zur Durchführung von Angriffshandlungen gegen den Irak zur Verfügung gestellt habe, sei sie völkerrechtlich so zu behandeln, als wäre sie selbst der angreifende Staat - so die Quintessenz des Urteils. Auf Bündnisverpflichtungen könne sich die Bundesrepublik Deutschland nicht berufen, weil es keine Verpflichtung gebe, völkerrechtswidrige Handlungen von Bündnispartnern zu unterstützen.

Die Verfasser der Eingabe an den Generalbundesanwalt sind der Auffassung, daß durch die neuen rechtlichen Erkenntnisse, vor allem durch die Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, die früheren Argumente des Generalbundesanwalts samt und sonders als widerlegt anzusehen sind. Der Generalbundesanwalt muß sich der Sache erneut annehmen. Er ist nach dem Gesetz verpflichtet, bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, die zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören. Das gebietet das Legalitätsprinzip, das dem Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes Rechnung trägt. Dieses Prinzip besagt, daß die Staatsanwaltschaft jede Straftat ohne Ansehen der Person verfolgen muß.

Der Generalbundesanwalt ist zwar ein politischer Beamter und als solcher weisungsgebunden. Diese Gebundenheit kann jedoch nicht so weit gehen, daß er sich aus Gründen der Staatsraison oder um der Bundesregierung einen Gefallen zu erweisen, über Recht und Gesetz hinwegsetzt.

Die deutsche Bundesregierung hätte sich weigern können (ohne daß ihr irgendwelche Sanktionen gedroht hätten) und weigern müssen, den Krieg gegen den Irak zu unterstützen. Nur dann hätte sie im Einklang mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12.09.1990 gehandelt, durch den dem vereinigten Deutschland die völkerrechtliche Verpflichtung auferlegt worden ist, dafür zu sorgen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird.





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