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Die alten Lügen

Angebliche Beweise für iranisches Atomprogramm

14.11.2005  






Wäre die bereits aus den Vorbereitungen des Ankriffskrieges gegen den Irak bekannte Strategie nicht offenbar erneut erfolgreich, so müßte man den Strategen der US-Geheimdienste schon eine gehörige Portion Dreistigkeit gepaart mit Dummheit unterstellen. So trifft dieser Vorwurf dann eher jene Länder, die bereit sind, die Vorbereitungen der USA für einen Angriffskrieg gegen den Iran zu unterstützen.

Wie die New York Times am Sonntag berichtete, haben die USA Vertretern mehrerer Regierungen, darunter auch Frankreich und Deutschland, bei geheimen Besprechungen ein Notebook vorgeführt, das vorgeblich Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm enthält. Neben über 1.000 Dokumentenseiten enthalte das Notebook auch Computersimulationen und Studien unterschiedlicher Gefechtskopfkonfigurationen.

Diese "Informationen", die nach Ansicht der USA zweifelsfrei belegen, daß der Iran an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitet - diese aber noch nicht besitzt, was einen Angriff auf den Iran letztlich auch fast unmöglich machen würde - führten dem Bericht zufolge dazu, daß auch Frankreich und Deutschland sich "tief besorgt" zeigten. Das Notebook gehörte offenbar zu jenen Überzeugungsversuchen, die bei einer Präsentation in Wien vorgelegt wurden.

Nach Aussage der USA erhielten sie das Notebook bereits Mitte 2004 von einem "langjährigen Kontakt" im Iran, der es wiederum von einer anderen Person erhielt, von der "vermutet wird, daß sie jetzt tot ist". Dabei sollte schon der Umstand, daß die vorgeblichen hochsensiblen Daten auf einem Notebook und nicht auf wesentlich leichter zu versteckenden Datenträgern außer Landes gebracht worden sind, Mißtrauen wecken. Entweder befanden sich die Daten schon bei ihrer Nutzung auf dem Notebook - was angesichts des Umfangs und insbesondere unter Sicherheitsaspekten kaum glaubwürdig scheint - oder sie wären nur für den Transport darauf kopiert worden - was eben auch wenig nachvollziehbar erscheint.

Regierungsbeamte sagten, sie hielten die auf persisch verfaßten Dokumente aufgrund ihrer Zusammensetzung und technischen Genauigkeit und weil sie Fortschritte in der Entwicklungsarbeit von 2001 bis 2004 zeigten, für "überzeugend". Gary Samore, Leiter für Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen im nationalen Sicherheitsrat der US-Regierung von William "Bill" Clinton, sagte: "Der überzeugendste Beweis für die Echtheit des Materials ist, daß die technische Arbeit so detailliert ist, daß es schwierig wäre, sie zu fälschen."

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es auch Ländern, die selbst seit Jahrzehnten Atomwaffen bauen, tatsächlich schwerfallen würde, derartige "Dokumente" und insbesondere bloße Computerdateien zu fälschen. Diese Frage beantwortete ein namentlich nicht genannter europäischer Diplomat, als er sagte: "Ich kann diese Daten fälschen."

In diesem Zusammenhang erscheint ein Blick auf die Auswirkungen der Wortwahl in der am 24. September von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verabschiedeten Resolution aufschlußreich. Diese ist keineswegs so zurückhaltend, wie dies bisher allgemein aufgefaßt worden ist. Zwar enthält die Resolution keinen Zeitplan für eine Verweisung des "Falls Iran" an den UN-Sicherheitsrat oder erwähnt auch nur die Möglichkeit von Sanktionen, sondern spricht vielmehr von "guten Fortschritten" bei der Korrektur der "Verletzungen" des Atomwaffensperrvertrags, genau dieser Passus ist es aber, der ungeahnte Möglichkeiten eröffnet.

In der Sicherheitsgarantie der USA von 1995, die eine der Grundlagen für die Verabschiedung der Resolution 984 des UN-Sicherheitsrates war, die den Atomwaffensperrvertrag verlängerte, heißt es:

"Die Vereinigten Staaten bestätigen nochmals, daß sie keine Atomwaffen gegen Staaten ohne Atomwaffen, die Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages sind, einsetzen werden, außer im Falle einer Invasion oder jeglichen anderen Angriffs auf die Vereinigten Staaten, ihre Hoheitsgebiete, ihre Streitkräfte oder anderen Truppen, ihre Alliierten oder einen Staat, dem sie Sicherheitsgarantien geleistet haben, durchgeführt von einem solchen atomwaffenlosen Staat in Gemeinschaft oder Allianz mit einem Atomwaffen-Staat."

Da der Iran Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages ist, scheint ein Angriff der USA auf den Iran zumindest mit Atomwaffen dementsprechend ausgeschlossen. Ein Blick auf den in der Sicherheitsgarantie vorangegangenen Absatz zeigt allerdings, daß dem keineswegs so ist.

"Es ist wichtig, daß alle Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages ihre Verpflichtungen entsprechend dem Vertrag erfüllen. In dem Hinblick, im Einklang mit allgemein anerkannten Prinzipien des internationalen Rechts, müssen Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages in Übereinstimmung mit diesen Verpflichtungen sein, um für den Genuß jeglicher Vorteile aus der Befolgung des Vertrages qualifiziert zu sein", so die Sicherheitsgarantie.

Da die IAEA-Resolution nun offiziell von "Verletzungen" des Atomwaffensperrvertrages spricht, sind die USA gemäß ihrer Sicherheitsgarantie von 1995 nicht mehr verpflichtet, auf den Einsatz von Atomwaffen gegen den Iran zu verzichten.

Die Wirksamkeit dieser Sicherheitsgarantie mag diskussionsfähig sein, gerade die Tatsache, daß die USA auf eine Verabschiedung dieser anscheinend so "schwachen" Resolution gedrängt haben, obwohl sie einen offensichtlichen Eskalationskurs gegen den Iran fahren, läßt vermuten, daß so diese Hürde aus dem Weg geräumt werden sollte. Das vorgeblich aus dem iran stammende Notebook war hierbei zweifellos äußerst hilfreich, obwohl es letztlich nur als Beweis dafür dienen kann, daß US-Geheimdienste in der Lage sind, Notebooks in ihren Besitz zu bringen.





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