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Das Terminal

Israelische Grenzkontrollen

26.11.2005  


Toine van Teeffelen
Übersetzung Ellen Rohlfs




Am diesjährigen palästinensischen Unabhängigkeitstag entschied ich mich, einen Urlaubstag zu nehmen und mit den Kindern zusammen in den Zoo nach Jerusalem zu gehen. Mary, die natürlich nicht mit uns gehen konnte, weil sie keinen Passierschein oder einen ausländischen Paß mit dreimonatiger Gültigkeit wie ich hat, packte für Jara, Tamer und mich Früchte in einen Beutel. Sollten wir uns ein Messer mitnehmen um die Früchte zu zerteilen? Besser keines aus Metall, sondern nur eines aus Plastik, überlegen wir, damit die Soldaten am Kontrollpunkt nicht mißtrauisch werden. Ich schaue noch kurz ins Internet, ob es vielleicht Probleme auf der Straße gibt. Der Taxifahrer aus Bethlehem sagt uns, daß ab heute das neue Terminal benützt wird. Wir nähern uns also nicht dem gewohnten Kontrollpunkt, sondern etwas, das einer internationalen Grenze ähnelt . Die Leute hatten gehört, daß er in diesen Tagen eröffnet werden würde. Ironischerweise geschah dies am Unabhängigkeitstag. Sicherlich kein Zufall. Die Botschaft sollte wohl folgende sein: Wenn ihr eure Unabhängigkeit haben wollt, werden wir glücklich sein, sie euch zu gewähren, indem wir euch eine internationale Grenze errichten und euch einschließen.

Ich zählte vier Kontrollen. Zunächst am Tor der Mauer, wo ein Soldat kontrolliert, ob ich einen Paß habe. Ich wedele damit. Dann betreten wir durch einen Eisenkorridor das Terminal selbst. Wir gehen an einer Glaskabine vorbei, in der ein Soldat den Paß kurz überprüft. Eine Palästinenserin möchte durch eine Drehtür, hat aber keine Tasreeh [Passierschein]. Ein ziemlich laut sprechender Soldat auf der anderen Seite des Zaunes verweigert ihr den Zugang. Die Kinder und ich passieren, ziemlich überwältigt von dem vielen Eisen und Stein rund um uns und der großen Halle. Sie erinnert an Eretz, den israelischen Übergang in den Gaza-Streifen. Vor Monaten las ich in Haaretz über einem Armeevertreter, der feststellte, daß das Terminal es den Leuten ermöglichen würde, hier ruhig zu warten, ohne von Hitze oder Regen beeinträchtigt zu werden und daß es auch Toiletten geben würde. Tatsächlich kommen wir an Toiletten für Männer und Frauen vorbei. Überall große Hinweisschildern, man möge den Ort sauber halten. Die Halle ist eine Kombination von stählernen Drehtüren, Korridoren und einem hohen Dach und großen und kleinen Hinweisschildern. Wir warten einige Minuten vor einer weiteren Drehtür mit einer roten Ampel an der Spitze. Durch das Gitter beobachten wir einen Palästinenser, wie er versucht, die hebräisch gesprochenen Anweisungen einer Soldatin zu verstehen. Sie will anscheinend, daß er seinen Gürtel abnimmt. Oder sind es seine Schuhe? Sie spricht über einen Lautsprecher hinter Glas. Der Lautsprecher ist sehr laut und echote aufgrund der Größe der Halle. Wie in Eretz hat man das Gefühl, daß hier eher Vieh als Menschen kontrolliert wird. Allerdings nicht ganz wegen der Betonung der Sauberkeit. Aber auch moderne Viehplätze sind heute ziemlich sauber, grüble ich. Wie mag der Platz wohl nach einigen Monaten aussehen? Eine andere Frau stellt sich in die Schlange. Sie kichert nervös. Im allgemeinen sind die am Kontrollpunkt wartenden Leute ärgerlich oder passiv, aber die Metall- und Technikvorrichtungen und die Größe sind so überwältigend, daß man sich vor allem wie fehl am Platze fühlt. Jara gerät in Panik, da wir den Beutel mit Äpfeln vergessen haben und nun befürchtet sie, daß uns die Soldaten fragen werden, warum wir ein Messer, aber kein Obst mitbringen. Die Ampel wechselt zu grün und wir gehen durch die Drehtür. Die Soldatin senkt ihre Stimme, als sie mich mit Tamer auf dem Arm und Jara sieht. Ich erinnere mich, daß Mary vor langer Zeit versuchte, mit dem Baby Jara auf dem Arm Kontrollpunkte zu betreten, um die Stimmung der Soldaten zu besänftigen. Das erscheint nun als eine fast romantische Vergangenheit. Es gibt keine Möglichkeit, sich hier hindurchzureden. Ich lege alle meine Sachen in den Beutel, der geröntgt wird. "Die Hände nicht zu dicht an den Beutel!" warnt die Soldatin. Man hatte sie wohl instruiert, am ersten Tag der Eröffnung des Terminals streng zu sein. Jara ist erleichtert, daß das Plastikmesser im Beutel verborgen bleibt. Über den Lautsprecher wünscht uns die Soldatin noch "Einen schönen Tag!", aber viel zu laut. Es ist das dritte Mal, daß uns dies nun gewünscht wird, zähle ich. Alles hier ist es fehl am Platz und nicht im rechten Verhältnis. Dann gehen wir zur Kontrollstelle Nummer vier. Der Paß wird durch das Glasfenster gereicht und wird gründlich von allen Seiten betrachtet. "Einen schönen Tag!" hören wir noch einmal, mechanisch. Erleichtert gehen wir aus dem Terminal. Jara zieht mich am Arm und flüstert mir ins Ohr, daß dort drüben hinter einer Säule ein Soldat Pipi macht. Sie kichert und fragt, warum er das mache. Lernen sie nicht, zur Toilette zu gehen?

Auf dem Weg zum Zoo wundert sich Jara über das viele Grün am Straßenrand. Wie schön ist es hier, ruft sie aus. Als wir durch den Zoo gehen, drängt sich mir der Vergleich mit dem Terminal auf. Die verschiedenen Abteilungen im Zoo sind klein, menschlich, unterschiedlich und sauber. Der Spielplatz beherbergte Phantasietiere aus Stein mit zwei Köpfen und andere lustige Gestalten. Tiere gingen frei durch den Kinderzoo. Man kann atmen, es gibt keine Anspannung. Als ein paar Israelis allerdings in meiner Nähe wsind, um die Tiere zu beobachten und Jara und Tamer etwas auf arabisch rufen, fühle ich mich etwas angespannt, als ob dies nicht der richtige Platz wäre, um laut Arabisch zu sprechen. "Denk nicht so dummes Zeug!" sage ich mir. Aber dieses Mal sind scheinbar mehr Arabisch sprechende Leute im Zoo. Der Zoo wirbt tatsächlich damit, daß er ein Treffpunkt für Juden aus allen Schichten ist als auch für Araber. Das heißt, für Araber aus Jerusalem und Israel. Vor einem halben Jahr hatte ich ein Gespräch mit der Schulleiterin einer Schule eines Dorfes in der West Bank in der Nähe der israelischen Grenze. Ihr Dorf wird auf der falschen Seite der Mauer liegen - eingeengt zwischen der Grünen Linie und der Mauer. Sie sagte, die Israelis seien auf die Palästinenser zugegangen und hätten den Vorschlag gemacht, den Schulklassen die Möglichkeit zu geben, mit dem Zug, der einmal am Tag durch das Dorf fährt, den Zoo zu besuchen. Ein nettes Angebot, aber, wie ich vermute, hauptsächlich aus Propagandazwecken und für Photomöglichkeiten, um zu zeigen, daß palästinensische Kinder, die von der Mauer betroffen sind, nicht allzusehr leiden. Ich verstand die ablehnende Antwort nur zu gut. Palästinenser brauchen Rechte, keine Vergünstigungen.

Auf dem Heimweg vom Zoo zum Bethlehem-Terminal sagt der israelische Taxifahrer, daß er das Taxameter nicht anschalten könne, weil das Gebiet um den Kontrollpunkt nicht innerhalb Jerusalem läge. Das ist ein Trick, um mehr Geld zu bekommen. Ich argumentiere, daß zumindest nach israelischem Gesetz der Kontrollpunkt sehr wohl innerhalb der Grenzen von Jerusalem liegt und er daher das Taxameter anschalten solle. Ich fühle mich hoffnungslos scheinheilig; denn beides, der Zoo wie auch das Terminal, liegen auf dem Land von Beit Jala und Bethlehem, also auf Land der West Bank und nicht auf Jerusalemer Land.

Dann durch das Terminal zurück nach Hause. Die Kinder und ich wissen jetzt, wo wir längs gehen müssen. Ich spreche noch ein wenig mit den Soldaten, um für die Kinder die Atmosphäre weniger feindlich zu machen. Nachdem ich durch das Tor der Mauer gegangen bin, wende ich mich noch einmal um und sehe ein riesiges Gemälde auf der Mauer, das einen amerikanischen Löwen mit Dollarzeichen und Öleinrichtungen auf seinem Fell zeigt. Er verschlingt ein palästinensisches Lamm. Am nächsten Tag erfahre ich von Leuten, daß sie anderthalb Stunden an der neuen Grenze warten mußten und daß Touristengruppen von den Palästinensern getrennt wurden. Bald wird Bethlehem auf drei Seiten - vom Norden, Süden und Westen - eingeschlossen sein und im Osten ist die Wüste.





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