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Konsumkrieg

Kaufrausch störende Bettler in Hamburg

31.12.2005  






In einem Beitrag für das Hamburger Abendblatt am Freitag hat der Hamburger Innensenator Udo Nagel vorgeschlagen, für die Innenstadt der Hansestadt ein vollständiges Bettel-Verbot zu erlassen. In der Ausgabe vom Samstag nun äußerten sich mehrere Vertreter der Hamburger Wirtschaft ebenfalls positiv über diesen Vorschlag.

So sagte Karl-Joachim Dreyer, Präses der Handelskammer der Stadt und Vorstandsmitglied der Hamburger Sparkasse (Haspa), Hamburg müsse "sich an den guten Beispielen anderer Metropolen wie München" orientieren, wo gleichfalls eine solche Verordnung erlassen worden ist. "In Anbetracht der öffentlichen und karitativen Hilfsangebote halte ich das für absolut vertretbar", sagte er.

Der gleichen Ansicht ist offenbar Frank Middendorf, Geschäftsführer der C&A-Filiale an der Hamburger Einkaufsstraße Mönckebergstraße. "Für eine Weltstadt ist das so, wie es jetzt ist, kein Aushängeschild", sagte er. Auch die Geschäftsführerin des Alsterhauses, Claudia Leske, stieß ins gleiche Horn. "Die Bettelei hat Ausmaße angenommen, die nicht mehr vertretbar sind. Ich habe bei mir die Bettler in den Schaufensternischen sitzen", sagte sie. Zwar müsse ein solches Verbot "auch immer an intensive Hilfe gekoppelt" sein, der Gedanke, daß auch das Alsterhaus hierzu beitragen könnte, muß aber offensichtlich ihrem Eindruck weichen, daß Obdachlose "vor der Tür" den Kaufrausch der – vermeintlichen - Kunden des Hauses beeinträchtigen könnten.

Ludwig Görtz, Präsident des Einzelhandelsverbands und Geschäftsführer der Schuhhandelskette Görtz, ist mit dem von Nagel vorgeschlagen Verbot nicht zufrieden. "Neben Jungfernstieg, Rathausmarkt und Mönckebergstraße sollte auch für die Spitalerstraße ein Bettelverbot erlassen werden", sagte er. Kaum überraschend, befindet sich doch in der Spitalerstraße eine Filiale seines Unternehmens. Aber auch der Bezirksamtsleiter Mitte und SPD-Mitglied Markus Schreiber unterstützt den parteilosen Nagel offen. "Auch ich bin der Auffassung, daß wir eine Innenstadtverordnung brauchen", so Schreiber.

Auch das zum Springer-Konzern gehörende Abendblatt selbst ergreift kaum verhohlen Partei für Nagels Vorschlag, werden doch in dem Artikel "Peter (50), betroffen vom Nagel-Vorstoß" die vorgeblichen "Einnahmen" eines Obdachlosen hochgerechnet. "Er ist krankenversichert, jeden Monat bekommt der gelernte Chemiefaser-Facharbeiter 345 Euro Hartz-IV. Das reicht ihm aber nicht. Vor ihm steht ein roter Kaffeebecher aus Pappe, in ihm liegen Münzen, insgesamt 6,20 Euro. 'Im Schnitt kriege ich am Tag 20 Euro zusammen', behauptet er. Das wären mit dem Geld vom Staat rund 1.000 Euro im Monat. Weihnachtsgeld gibt's auch: An Heiligabend habe er mit einem Kollegen 200 Euro gesammelt", heißt es dort.

Neben zahlreichen Vertretern von Kirchen und Hilfsorganisationen sprachen sich auch mehrere Politiker deutlich gegen Nagels Vorstoß aus.

Christa Goetsch, Vorsitzende der Fraktion der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft, sagte: "Es gibt in jeder Stadt der Welt Bettler. Nicht die Armen müssen wir bekämpfen, sondern die Armut."

"Es ist schlimm, daß bettelnde Menschen einmal mehr zu Störfaktoren im Einkaufsbetrieb reduziert werden", sagte die SPD-Sozialpolitikerin Petra Brinkmann.

Aber selbst Bernd Reinert, Vorsitzender der regierenden CDU-Fraktion, kritisierte Nagel. "Ich persönlich glaube, daß es nichts bringt, das Problem von der Straße A in die Straße B zu verlegen", sagte er.

Nagels Vorschlag, noch mehr allerdings die ihm zustimmenden Vertreter großer Hamburger Unternehmen, zeigen einmal mehr, wie sehr der Mitleidsgedanke, aber auch der – zumindest bisher - in Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes festgeschriebene Grundsatz des Sozialstaats zugunsten tatsächlicher oder vermeintlicher wirtschaftlicher Interessen zurückgedrängt und ignoriert werden.





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