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Zielerfassung

Der BND in Baghdad

12.01.2006  






Am Donnerstag veröffentlichte die Sendung Panorama des deutschen Senders ARD einen Beitrag, demzufolge zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) während des US-geführten Angriffs auf den Irak dem US-Militär Informationen über irakische Ziele übermittelten. Dies sei bereits im Dezember 2002 in der BND-Zentrale in Pullach abgesprochen worden.

Erwartungsgemäß bestreitet der BND diese Vorwürfe. Zwar seien zu dem Zeitpunkt tatsächlich zwei BND-Agenten in Baghdad gewesen, die auch Kontakt zum US-Militär gehabt hätten, sie hätten aber nur auf zivile Ziele wie Krankenhäuser hingewiesen, damit diese eben gerade nicht angegriffen worden wären. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß der derzeitige deutsche Außenminister und damalige Kanzleramtsminister und damit Verantwortliche für den BND Frank-Walter Steinmeier anfangs auf ausdrückliche Nachfrage behauptete, die Vorwürfe seien vollständig falsch – mittlerweile wird dies als ein "Mißverständnis" bezeichnet – ist der Verdacht, daß auch dies nur eine Schutzbehauptung ist, sicherlich naheliegend. Dabei gibt es aber durchaus eine Möglichkeit, daß es sich hierbei um die Wahrheit handelt und die BND-Agenten trotzdem die ihnen zugeschriebene Aufgabe erfüllten. Da „im wahren Leben“ kaum ein Agent – zumindest keiner mit einer erträglichen Lebenserwartung – von sich glaubt, er wäre „James Bond“, ist es durchaus üblich, Pläne für den Fall der Entdeckung zu entwickeln. Die Verteidigungslinie, man habe nur auf zivile Ziele hingewiesen, damit diese nicht bombardiert würden, ist dabei ohne großen Aufwand zu erreichen und trotzdem für die US-Bomberpiloten äußerst hilfreich. Hierfür reicht es aus. eine Datenbank mit Häusern anzulegen und die entsprechenden Ziele zu markieren. Anschließend wird die Auswahl umgekehrt, so daß alle „Nicht-Ziele“ markiert sind. Diese Liste übermittelt man an das „befreundete Militär“ mit dem Hinweis, daß diese Ziele keinesfalls zu bombardieren seien. Die Empfänger brauchen anschließend nur erneut die Auswahl umkehren, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten.

Letztlich ist diese „Enthüllung“ aus mehreren Gründen äußerst bemerkenswert. Oberflächlich betrachtet ist dies ohne jeden Zweifel ein Skandal. Parlament, Bundesregierung und die Mehrheit des deutschen Volkes waren sich darin einig, daß sich Deutschland nicht an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der USA gegen den Irak beteiligen sollte. Genau dies ist den auf Aussagen eines anonym bleiben wollenden ehemaligen hochrangigen Mitarbeiters des US-Verteidigungsministeriums zufolge aber durch die beiden BND-Agenten geschehen.

Schon der Zeitpunkt des Berichts – einen Tag vor der ersten Reise der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Washington – ist augenfällig, auch wenn sich die Panorama-Moderatorin Anja Reschke bemühte zu betonen, daß dies reiner Zufall sei und die Recherchen für den Beitrag bereits im vergangenen Oktober begonnen hätten. Spätestens die Tatsache, daß die New York Times den Bericht über die Bespitzelung von US-Bürgern durch die NSA ein Jahr lang unter Verschluß hielt zeigt, daß Medien Berichte durchaus nicht immer dann veröffentlichen, wenn die Recherchen abgeschlossen sind.

Hier von einer reinen Kampagne gegen die derzeitige wie auch die vorangegangene deutsche Bundesregierung auszugehen, scheint aber ebenfalls zu kurz gegriffen, istt doch bereits bekannt, daß sich Deutschland durchaus am Krieg gegen den Irak beteiligt hat und beteiligt. Hier sei nur an die Unterstützung für US-Basen in Deutschland, Überflugrechte für US-Militärmaschinen und auch die Ausbildung "irakischer Sicherheitskräfte" durch und in Deutschland erinnert. Von der Annahme ausgehend, man würde "nicht erwischt werden" scheint es nur ein kleiner Schritt bis zur Übermittlung einiger Koordinaten durch zwei Agenten des BND zu sein.

Der Gedanke, daß es sich hier um einen "Schuß vor den Bug" handelt, ist sicherlich naheliegend. Gleichgültig, ob gezielt Wissen über eine tatsächliche deutsche Kriegsbeteiligung gestreut wurde oder dies nur eine Falschinformation ist, kommt sie doch zu einem Zeitpunkt, da Merkel bereits angekündigt hatte, bei ihrem Besuch die – wenn auch völlig zahnlose, da mit keinerlei Sanktionen behaftete und auch nicht auf zahllose weitere Foltergefängnisse und Kriegsverbrechen eingehende – Forderung nach einer Auflösung des US-Gefangenenlagers Guantánamo Bay auf Kuba vorbringen zu wollen. Es scheint, als solle hier die deutsche Regierung vorbeugend "auf Linie gebracht" werden, indem ihr demonstriert wird, wie leicht sie politisch zu schädigen ist.





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