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Klowand

Defizite des "kreativsten Werbers Deutschlands"

21.01.2006  






Jean-Rémy von Matt, der von der schweizer Weltwoche als der "kreativste Werber Deutschlands" bezeichnet worden ist, hat sich in einem internen Newsletter der von ihm mitbegründeten Werbeagentur "Jung von Matt" (JvM) bitterlich über die Reaktionen auf die von ihm mitentwickelte Werbekampagne "Du bist Deutschland" beklagt und dabei einige persönliche Defizite offenbart.

Am Donnerstag veröffentliche Jens Scholz den Inhalt des Newsletters in seinem Weblog. Die Echtheit des Newsletters wurde mittlerweile seitens JvM gegenüber Thomas Knüwer, dem Blogger des Handelsblatts, bestätigt.

"Meine Mutter hat mir beigebracht, dass man sich für ein Geschenk bedankt, selbst wenn man damit nichts anfangen kann. Wie Recht sie hatte, ist mir gerade wieder klar geworden. Vor zwei Wochen startete "Du bist Deutschland", die größte gemeinnützige Kampagne aller Zeiten und ein riesiges Geschenk. Die großen Verlage haben Zeit und Raum im Wert von 35 Millionen Euro geschenkt. 30 Promis der ersten Liga haben Zeit und ihr Gesicht geschenkt. Wir und kempertrautmann haben Zeit und Herzblut geschenkt", so von Matt in der Einleitung seines Kommentars.

Zwar haben nach Eigendarstellung der "Du bist Deutschland"-Initiative alle Beteiligten auf Honorare verzichtet, so uneigennützig wie von Matt dies hier darstellt, war zumindest seine Beteiligung aber wohl kaum, handelte es sich hier doch letztlich auch um – zumindest den Versuch der – Eigenwerbung, wurde doch nie vergessen, auf JvM hinzuweisen. Daß sich die Mehrheit der Deutschen deutlich mehr darüber gefreut hätte, hätten sie ihren jeweiligen Anteil von den 35 Millionen Euro, also rund 50 Euro-Cent, in bar erhalten, ist angesichts der Reaktionen auf dieses „große Geschenk“ nur zu offensichtlich. Auf die Zeit von "JvM und kempertrautmann" - wen nannte der Esel doch gleich zuerst? - und deren "Herzblut" hätte die Mehrheit dabei sicherlich großzügig verzichtet, auch wenn Knüwer gern einen Liter des Blutes von Matts hätte, um es "bei Ebay zu versteigern". Angesichts von Matts Bezeichnung der Kampagne als "größte gemeinnützige Kampagne aller Zeiten" stellt sich sicherlich auch die Frage nach der Ausgeprägtheit seines Realitätssinnes.

"Das Ziel: Die Miesepetrigkeit bekämpfen. Der Dank: Miesepetrigkeit. Glücklicherweise nur von den Gruppen, von denen man nichts besseres erwarten konnte: 1. Von den Werbekollegen, die sich in den Branchenblättern eifrig zu Wort meldeten. Viele von ihnen finden die Kampagne nutzlos, 'weil Werbung doch nicht das gegeignete Mittel sein kann, eine Nation wirtschaftlich wieder nach vorn zu bringen'. Nicht gut, wenn unsere Branche selber nicht mehr an die Kraft von Kommunikation glaubt", so von Matt weiter.

Nun belegt die Verbreitung dieses Newsletters weit über das Unternehmen JvM hinaus zwar zweifellos die "Kraft von Kommunikation", die Tatsache, daß er überhaupt verfasst wurde, läßt allerdings deutliche Zweifel an der Kompetenz des Autors in Kommunikationsangelegenheiten aufkommen, war es doch absehbar, daß sich mehr als ein Empfänger findet, der den Newsletter derart interessant findet, ihn an weitere Personen weiterzuleiten und daß er so letztlich auch Empfänger erreicht, die hier direkt angegriffen werden.

Insbesondere von Matts zweites und anscheinend schon länger gepflegtes Haßobjekt, die Blogger, scheinen über den folgenden Absatz von Matts wenig amüsiert.

"2. Von den Weblogs, den Klowänden des Internets. (Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern? Und die meisten Blogger sondern einfach nur ab. Dieser neue Tiefststand der Meinungsbildung wird deutlich, wenn man unter www.technorati.com eingibt: Du bist Deutschland.)", schrieb er.

Schon die Tatsache, Weblogs als "Klowände" zu bezeichnen, führte innerhalb des Blogosphäre verständlicherweise nicht gerade zu einer wohlwollenden Beurteilung. Außerdem von der "Absonderung von Meinungen" zu schreiben war noch weniger hilfreich. Am bemerkenswertesten ist hier aber zweifellos von Matts doch etwas eigenartiges Demokratieverständnis. Zugegeben, er ist Schweizer und damit möglicherweise nicht mit dem deutschen Grundgesetz vertraut, andererseits sichert aber auch die schweizer Bundesverfassung ihren Bürgern das Recht auf freie Meinungsäußerung zu. Will man also nicht annehmen, er verschätzt sich in der aktuellen deutschen Staatsform um etwa 70 Jahre, so scheint es auf seiner Seite doch einige Defizite hinsichtlich seines Wissens um rechtsstaatliche Grundsätze zu geben.

Und als würde er sichergehen wollen, daß dieser Newsletter auch wirklich eine weite Verbreitung erfährt, greift er darin auch noch Journalisten an.

"3. Von den intellektuellen Journalisten von FAZ bis TAZ, die ihre Meinung zwar insofern gefragt absondern als sie eine nachweisbare Leserschaft haben, aber: 'Den Höhepunkt an Zynismus gewinnt die Kampagne aber in dem Fernsehspot, der Schwule und Behinderte auf dem Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals versammelt' (Die Zeit). Blöd, wenn man soviel Kopf hat, dass einem jedes Bauchgefühl verloren gegangen ist."

Zwar wäre es nicht das erste Mal, daß eine Werbeagentur versucht, mit ungewöhnlichen Mitteln auf ein Produkt oder auch sich selbst aufmerksam zu machen, es scheint allerdings unwahrscheinlich, daß dies ausgerechnet mit einem solch wutschnaubenden Artikel geschieht, der doch erhebliche Zweifel daran weckt, daß sein Verfasser sich mit den Mechanismen des – auch für die Werbebranche zunehmend wichtiger werdenden – Internets auch nur annähernd auskennt. Dieser Eindruck wird sicherlich noch durch die Tatsache verstärkt, daß ein Teil der Internetnutzer sowohl von der Website JvMs als auch der "Du bist Deutschland"-Kampagne ausgesperrt bleibt, weil sie ihre Webbrowser sehr sicherheitsbewußt konfiguriert haben oder die erforderlichen Technologien aus anderen Gründen nicht unterstützt werden. Letztlich scheint aber gerade auch von Matt von seinem eigenen "Bauchgefühl" komplett verlassen gewesen zu sein, als er auf den "Sende"-Knopf klickte.





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