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Panikmache

Schäuble und die Terrorangst

29.01.2006  






In einem am heutigen Tag in der "Welt am Sonntag" unter dem Titel "Es kann auch bei uns geschehen" veröffentlichten Interview zeigte sich der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble überzeugt, daß es in Deutschland zu einem terroristischen Anschlag mit einer "schmutzigen Bombe" kommen werde. Es sei nur die Frage, wann und wo dies geschehe.

In dem Interview, bei dem er die Antwort auf mehrere andere Fragen – von Streikdrohungen der Gewerkschaft Ver.di gegenüber den deutschen Bundesländern bis hin zur Anwesenheit deutscher Staatsbürger im Irak – verweigerte, vergaß Schäuble keine der derzeit so häufig wiederholten vorgeblichen "Terrorbedrohungen" zu erwähnen.

Es gäbe "Hinweise darauf, daß der Al-Qaida-Chef im Irak, Abu Musab al-Zarqawi, versucht, seinen Einfluß auf islamistische Kreise in Europa zu verstärken. Deswegen dürfen wir auf gar keinen Fall nachlassen in unserer Wachsamkeit und in unserem Bestreben, Terror-Anschläge zu verhindern", so Schäuble. Ist schon die bloße Tatsache, ob al-Zarqawi überhaupt noch am Leben ist, alles andere als unumstritten, so ist sein "Einfluß" auf "islamistische Kreise in Europa" sicherlich äußerst fragwürdig.

Auch gegen den Iran erhob Schäuble fast unverhohlen den Vorwurf, "Terroristen" zu unterstützen, als er auf die Frage, was es mit seiner Anmerkung vor dem CDU-Vorstand auf sich hatte, die "innere Sicherheit" werde in diesem Jahr noch wichtiger als erwartet, antwortete: "Ganz so ist das nicht gewesen. Auf Grund der Themenfülle ist die Sicherheit nur am Rande behandelt worden. Deshalb habe ich gesagt, daß wir Grund dazu hätten, uns darauf vorzubereiten, daß dieses Thema in diesem Jahr eine große Rolle spielen könnte. Das bezog sich auf den Iran."

Dies führte dann zu der Rückfrage, ob Deutschland durch den Iran bedroht werde. Hierauf antwortete er unmißverständlich: "Was dort passiert, kann sich nicht nur auf die Energiepreise auswirken, sondern eben auch auf die äußere und innere Sicherheit. Der Ausgang der Wahlen in den Palästinensergebieten kann die Situation im Nahen und Mittleren Osten zusätzlich destabilisieren. Die teilweise Auflösung von staatlichen Strukturen führt zu veränderten Gefahrenlagen und Bedrohungsszenarien. Vor diesem Hintergrund stellt die Entwicklung im Iran nicht nur in der Frage der Proliferation, in der Frage der äußeren Sicherheit, sondern natürlich in der Rückwirkung auch für das Leben in unserem eigenen Land eine Gefahr dar." Während die "staatlichen Strukturen" durch die US-geführten – und auch durch Deutschland unterstützten – Angriffskriege gegen Afghanistan und den Irak dort tatsächlich aufgelöst wurden mutet ein solcher Kommentar im Zusammenhang mit Palästina und dem Iran doch mehr als eigenartig an.

Noch deutlicher wurde Schäuble dann in seiner Antwort auf die Frage, ob er glaube, daß die iranische Regierung "auch Terroristen mit Atommaterial versorgen würde".

"Einerseits gibt es dafür keine konkreten Erkenntnisse. Andererseits haben wir Äußerungen aus der iranischen Staatsführung gehört, von denen man annahm, daß es unvorstellbar sei, daß sich das Staatsoberhaupt eines zivilisierten Landes so äußern würde", so Schäuble. Er spielte hiermit auf verschiedene Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadi-Nejad an, die zwar teilweise ohne Frage kritikwürdig sind, andererseits – beispielsweise die massive Kritik an dem Staat Israel (nicht zu verwechseln mit Drohungen gegen dessen Bewohner) – aber so auch schon in der Vergangenheit von zahllosen anderen iranischen Politikern und Politikern anderer arabischer Länder der Region geäußert worden sind, ohne daß dies zu einem vergleichbaren Aufschrei des "Westens" geführt hätte. Andere vermeintliche Aussagen Ahmadi-Nejads wurden offensichtlich falsch übersetzt, was beispielsweise zu einem zeitweisen Hinauswurfs des US-Senders CNN aus dem Iran und dessen nachfolgender Entschuldigung geführt hatte. Ohne Zweifel unterstützt Ahmadi-Nejad durch diese Äußerungen gewollt oder ungewollt jene Kräfte, die in der Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen sein Land begriffen sind. Über die Gründe hierfür ließe sich derzeit allerdings nur spekulieren.

Daß Schäuble dem Iran nun aber – neben der schon üblichen, seitens des Irans immer wieder bestrittenen und auch durch eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten) des iranischen Staatsoberhauptes und angesehensten islamischen Führers im Iran, Ayat Allah Seyyed Ali Hoseini-Khamenei, unglaubwürdigen Behauptung, das Land strebe nach Atomwaffen – vorwirft, "Atommaterial" an "Terroristen" weitergeben zu wollen, erinnert in fataler Weise an die Behauptung der USA, der Irak unter Präsident Saddam Hussein habe "Al-Qaida" unterstützt. Diese Behauptung war aufgestellt worden, nachdem sich die Suche nach den vorgeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak als erfolglos abzeichnete. Daß auch für diese Behauptung keinerlei Beweise gefunden wurden – im Gegenteil – verhindert nicht, daß dieser Vorwurf von Zeit zu Zeit immer wieder auftaucht.

"Tatsächlich läßt die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder schmutzigem Material die Gefahr wachsen, daß wir mit solchen Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus rechnen müssen. Die Frage ist wohl nicht mehr, ob es einen Anschlag mit einer schmutzigen Bombe geben wird, sondern die Frage ist, wann und wo es ihn geben wird. Wir müssen diese Bedrohungen sehr ernst nehmen", so Schäuble weiter. Außerdem sei "leider nicht von der Hand zu weisen", daß "in Kreisen terroristischer Aggressoren - das weiß man, aus vielem, was man im Internet und sonstwo abfangen kann - solche mehr oder weniger perversen Überlegungen angestellt" würden. Sicherlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß es zu einem solchen Anschlag kommt, wie auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß bereits in einem Jahr ein Asteroid die Erde trifft und vernichtet. Der Hinweis auf "Überlegungen" eines solchen Anschlag aufgrund von "vielem, was man im Internet und sonstwo abfangen kann", zeigt, wie überzeugend Schäubles Schreckensszenario ist. Angesichts der Tatsache, daß in der Zeit des "Kalten Krieges" genaue Pläne für den Fall des Kriegsausbruchs des Warschauer Pakts mit der NATO bestanden, vorrückende sowjetische Verbände in Deutschland durch Angriffe mit Atomwaffen zu vernichten, müßte Schäuble zweifellos auch einen sofortigen Austritt Deutschlands aus der NATO fordern, handelte es sich hier doch um eine ohne jeden Zweifel vorhandene und für Deutschland existenzbedrohende Gefahr, die belegt, daß dieses "Bündnis" keineswegs an der Sicherheit Deutschlands interessiert war.

Obwohl also derzeit keinerlei handfesten Hinweise dafür existieren, daß ein solcher Anschlag in Deutschland oder anderswo geplant ist, ließ Schäuble doch keinen Zweifel daran, daß er sich ereignen wird. Diese Panikmache dient zweifellos dem Vorantreiben eines weiteren Abbaus der Grundrechte und einer weiteren Ausweitung der Befugnisse der Ermittlungsbehörden und auch seinem Plan, das Grundgesetz dahingehend zu ändern, den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern zuzulassen. Darüberhinaus wird hierdurch aber zu einem Zeitpunkt, da es nur noch die Frage zu sein scheint, wann der Iran angegriffen wird, das Land ein weiteres Mal mit "Terroristen" in Verbindung gebracht, was ja schon beim Irak äußerst "erfolgreich" war. Daß die Öffentlichkeit außerdem so quasi auf einen solchen – oder einen anderen folgenschweren – Anschlag "vorbereitet" wird, ist sicherlich auch keine unerwünschte Nebenwirkung.





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