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Tote Städte

Die Fallujah-Option im Irak?

17.04.2006  


Chris Floyd




Von all den Kriegsverbrechen, die durch das anfängliche Kriegsverbrechen Von George W. Bushs unprovozierter Invasion des Iraks verursacht wurden, war das wahrscheinlich abscheulichste die mutwillige Zerstörung von Fallujah im November 2004. Nun, da sich eine schändliche Niederlage für Bushs babylonische Torheit abzeichnet, drängen einige der Schlüsselfiguren der Aufhetzung zum Krieg dazu, daß die "Fallujah-Option" auf ein noch größeres Ziel angewandt wird: Baghdad.

Was diese einflußreichen Kriegstreiber offen fordern ist die "Befriedung" Baghdads: ein brutaler Feuersturm der US-Streitkräfte, der sowohl die sunnitischen Rebellen als auch die shiitischen Milizen in einer "entsetzlichen" Operation verheert, die unvermeidlich zu "in die Höhe schnellenden Opferzahlen" führen wird, wie der Kriegstreiber Reuel Marc Gerecht vergangene Woche fröhlich in den blutdurstigen Leitartikeln des Wall Street Journal schrieb. Gerechts Kriegsschrei echote schnell in den rechten Medien und gab den privaten Ratschlägen jener Gruppe, die aus jener Gruppe entspringen, die nun die Führung die US-Regierung stellt: das "Project for the New American Century" (PNAC).

Wie schon häufig erwähnt, wurde das PNAC von Dick Cheney, Don Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Jeb Bush, Zalmay Khalilzad und dem jetzt angeklagten Lewis Libby - neben anderen - gegründet. Im September 2000 forderten sie öffentlich die Entsendung von amerikanischen Streitkräften in den Irak - selbst wenn Saddam schon weg sein sollte - als auch die Gründung von US-Basen in Zentralasien, die Stationierung von Waffen im Weltraum, den Bau neuer Atomwaffen und die Finanzierung der weitreichenden Militarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Da sie so gerissene Akteure waren, war ihnen klar, daß dieses verrückte Programm der Aggression und Weltbeherrschung von der amerikanischen Öffentlichkeit abgelehnt werden würde - außer natürlich, die Nation würde von einem "katalysierenden Ereignis" wie "einem neuen Pearl Harbour" getroffen. Wer sagt, daß Träume nicht wahrwerden?

Gerecht, ein früherer CIA-Mann, ist ein leitendes Mitglied des PNAC. Er war einer der vielen Zwerge, die das Fundament für die Täuschung der Massen legten, indem sie anhaltend jeden Bericht der CIA, der nicht die lohnenden Phantasien der Kriegstreiber der unmittelbar bevorstehenden Zerstörung Amerikas durch das gebrochene, zahnlose Regime Saddam Husseins bestätigte, untergruben. Die zahlreichen Vorbehalte der Geheimdienste hinsichtlich dieser vermeintlichen Bedrohung wurden gemäß Berichten des National Journal direkt auf Bushs Schreibtisch gebracht, aber die PNACer im Weißen Haus wischten sie beiseite. Sie träumten von Krieg und sie bekamen ihn.

Aber die Eingeborenen spielten nicht ihre Rolle in dem imperialen makabren Maskenspiel. Sie haben es flegelhaft versäumt, ihre angemessene Würdigung dafür zu zeigen, abgeschlachtet, geplündert, gefoltert und kontrolliert zu werden. Selbst die Shiiten, noch vor wenigen Wochen als Erzfreunde der moderaten Demokratie gewürdigt, werden nun als haßerfüllte Sektierer, sogar schlimmer als die sunnitischen Rebellen - um die der BBC zufolge plötzlich von Bushs Mann in Baghdad, dem PNACer Khalilzad, geworben wird, angeprangert.

Nicht, daß die shiitischen Todesschwadrone - gestützt von der von den USA gestützten irakischen Regierung - nur schlecht wären. Klar, sie haben sunnitische Zivilisten entführt, Löcher in ihre Schädel gebohrt, sie enthauptet und sie dann auf die Straßen geworfen oder sie in Schulhöfen begraben - aber all dies war "gesund", sagt Gerecht, weil es Sunniten und Kurden dazu gebracht hat, die "shiitische Macht" zu fürchten. Oder sowas. Um ehrlich zu sein, ist Gerechts Kolumne mit so vielen Enten, Wahnvorstellungen und logischen Widersprüchen gefüllt, daß sie häufig endgültig die rationale Ebene verläßt. Aber ihre Bedeutung ist klar: indem sie sich ab und zu den Erlässen Washingtons widersetzten, sind die Shiiten ihren Schuhen entwachsen und mußten wieder unter Kontrolle gebracht werden - zusammen mit dem restlichen Abschaum, der den Geliebten Führer zuhause schlecht aussehen läßt.

Man könnte meinen, dies sei ein Witz, aber das ist es nicht. Einer von Gerechts Hauptgründen für die "Befriedung" Baghdads in einem vielköpfigen Krieg gegen jedes enthnische Partei ist, daß "die US-Medien niemals optimistische Meldungen über den Irak schreiben werden, wenn Journalisten sich davor fürchten, die Grüne Zone zu verlassen." Das ist zusammengefaßt Bushs Vorstellung. Der Krieg findet nicht wirklich in der realen Welt statt, wo Menschen zehntausendfach sterben, er wird auf den Bildschirmen von Fox News, CNN und NBC, auf den dünnen Seiten der New York Times und der Washington Post und den überhitzten Wellen des Anruferradios gekämpft. Baghdad muß befriedet werden - wie Grozny, wie Guernica - damit die Amerikaner ein paar mehr heiße Geschichten auf ihrer Mattscheibe auf dem Weg zu einem Spiel oder zum Einkaufszentrum sehen können.

Das Schicksal Fallujahs liefert ein Vorbild für das düstere Schicksal, das Baghdad erwartet, wenn Gerecht und die PNACer der Regierung ihren Willen bekommen. Fallujah wurde von einem stählernen Ring eingeschlossen; Wasser, Strom und Lebensmittelversorgung wurden abgeschnitten (ein ungeheuerliches Kriegsverbrechen). Die Stadt wurde acht Wochen lang bombardiert und dann bei einem radikalen Bodenangriff mit konventionellen und chemischen Waffen - weißer Phosphor und Napalm - angegriffen, der tausende Zivilisten tötete und mehr als 200.000 obdachlos machte, getroffen. Unter den ersten Zielen befanden sich die Krankenhäuser und Kliniken Fallujahs (ein weiteres ungeheuerliches Kriegsverbrechen): einige wurden zerstört, wobei sowohl Ärzte als auch Patienten getötet wurden, andere wurden besetzt und geschlossen, alles, um zu verhindern, daß jegliche Meldungen von zivilen Opfern die westlichen Medien erreichten, sagten die Spezialisten für "Informations-Kriegsführung" gegenüber der New York Times. Wieder einmal triumphierte das erschaffene Bild über der blutigen Realität.

Vielleicht geht dieser Kelch an Baghdad vorbei. Vielleicht werden Bush und seine PNACer stattdessen ihre wahnsinnigen Pläne eines atomaren Angriffs auf den Iran vorantreiben, wie es die New York Times berichtete. Aber Gerechts Artikel ist eine perfekte Momentaufnahme der verkommenen Gemüter, die jetzt Amerika beherrschen. Irgendwo, irgendwie - und bald - wird eine weitere Stadt sterben.





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