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Unser Abstieg in die Hölle hat begonnen

Ein Aufruf, das Schweigen zu beenden

07.05.2006  


Tony Swindell




Im Irak hat unser Abstieg in die Hölle, unser "Apocalypse Now"-Moment, begonnen. Erst war es Guantánamo, dann das weltweite Überstellungsprogramm, dann Abu Ghurayb, dann die Pulverisierung von Fallujah und jetzt schießwütige Durchsuchungen, die zahllose sandige Gräber mit Männern, Frauen und Kindern füllen. Ist "Tötet sie alle und laßt Gott über sie richten" jetzt zur Mission in Babylon geworden? Erinnert sich niemand mehr an Vietnam, wo wir über eine Million tote Zivilisten zurückließen? Im Irak sind wir weit über die halbe Millionen-Marke, vermutlich die Millionen-Marke hinaus, wenn man die Sanktionen der 90er einrechnet. Sind die amerikanischen Menschen so blind und taub, wie es scheint? Sehen wir nicht, daß wir durch die Tore der Hölle gehen und hören wir nicht, wie sie sich dröhnend hinter unserem Land schließen?

Wer bin ich, all das zu sagen, könnte man fragen. Na gut, antworte ich. Also werde ich eine Geschichte aus meiner Generation über monströse Verbrechen und Tragödien erzählen, die im Begriff steht, vor den Augen der ganzen Welt im Irak wiederholt zu werden. Zuerst muß man verstehen, daß von einem einzelnen Soldaten nicht erwartet werden kann, das ganze Verbrechertum des Krieges zu erfassen, da sein ganzes Universum ein kleiner Fleck genau vor seiner Nase ist. So daß er am Leben bleiben kann. Wenn er alles wüßte, das vorgeht, wäre er todunglücklich und wenn er auch wüßte, warum, würde er verrückt werden.

Die eingeschränkte Sicht ist genau der Grund dafür, daß selbst der beste und menschlichste Soldat unwillentlich zu einem Monster wird und die Menschen, die Krieg schaffen, wissen das. Aus Trauer und Wut, mit dem Gestank des zerfetzten Fleisches seines Freundes in der Nase, hört der Soldat auf, Fragen zu stellen und beginnt, sich seine eigenen Regeln mit einem Gewehr zu machen. Er hat das Herz der Dunkelheit berührt und es gibt nie mehr einen Weg zurück. Die Krieg genannte Hure zu umarmen zerstört die Moral und dies mit einem unehrenhaften Grund zu tun, vergrößert den Schaden.

Deshalb müssen wir, die wir dort waren, energisch die Stimme erheben. Wenn es einen harten Faustschlag auf den Mund erfordert, um einige verwirrte NeoCon-Gehirne anzuwerfen, dann sei es so. Und für all jene, die ihre politischen Wahrheiten von sich selbst aufblähenden Furzkissen wie Rush Limbaugh und Bill O`Reilly bekommen, wird es nicht zu früh sein. Dieses Mal zu schweigen bedeutet zu riskieren, alles, für das unser Land steht, zu verlieren.

Die Geschichte, die ich erzählen möchte, beginnt an einem unerträglich heißen Tag im Februar 1969, als ich den Oberst des US-Heeres John W. Donaldson dabei beobachtete, wie er eine Tasse mit Blut vermischtem Reiswein an seine Lippen führte und einen großen Schluck trank. Gleichgültig, daß die Mischung von Herzwürmern wimmelte, Donaldson schreckte nicht einen Moment zurück. Zu der Zeit diente ich als ein Kriegsberichterstatter des US-Heeres der 11. Leichten Infanteriebrigade und meine Aufgabe an jenem Tag war es, Donaldson zu folgen und Bild um Bild von den makabren Feierlichkeiten, die sich vor meinen Augen abspielten, zu schießen. Er war der Brigadekommandeur eines verdammten, "Landezone Bronco" genannten Boxsacks nahe dem Dorf Duc Pho. Das Basislager der Brigade war Teil der Amerika-Division, deren Hauptquartier nördlich in Chu Lai lag.

Der Oberst und eine große Abordnung weiterer Brigade- und Divisionskommandeure waren Ehrengäste bei einem Tet-Fest in dem Montagnard-Dorf Ba To im zentralen Hochland südwestlich von Chu Lai. In der Nähe war ein Lager der Spezialkräfte A-Gruppe, eine merkwürdige dreieckige Festung, die mit einer 105 Millimeter-Kanone an jeder Ecke bewaffnet war, die Flechette-Munition abfeuerten. Selbst eine Schlange hätte nicht durch den Irrgarten aus Stachel- und NATO-Draht kriechen können, der das Gelände umschloß und dutzende von Claymore-Minen waren an den Mauern angebracht. Eine Claymore zerfetzt einen auf kurze Entfernung in seine einzelnen Moleküle.

Das Montagnard-Dorf und das A-Gruppen-Lager waren zuvor in der Woche von konzentrierten nordvietnamesischen Einheiten schwer getroffen worden und Donaldsons Anwesenheit war zum Teil eine Provokation der feindlichen Kommandeure, die im nahegelegenen dreistöckigen Dschungel ihre Wunden leckten. Die Landschaft ließ mich erschauern, da die schönen, grün-getupften Hügel überall um das Dorf herum von hunderten frischen Artillerie- und Bombenkratern übersät waren, die die hellrote Erde bloßlegten. Ich konnte den Gedanken an den "Fröhlichen Grünen Riesen" mit einem schweren Fall von Akne einfach nicht verdrängen. Während barbusige Montagnard-Frauen das Gebiet mit Totems und leuchtenden Fahnen herausputzten, um die Schäden durch die Angriffe zu verdecken, wurde ein Opfer-Wasserbüffelkalb von dem Häuptling des Dorfes mit einem Speer langsam zu Tode gestochen. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis das Kalb vor Erschöpfung auf seine Knie sank, zu dem Zeitpunkt zu schwach um aufzuschreien. Der Häuptling durchschnitt dann die Kehle des Kalbes über einem großen irdenen Becher, um das pulsierende Blut aufzufangen, während ein anderer Dorfbewohner Reiswein hineingoß und umrührte.

Den Besuchern unbekannt, hatten die Montagnards zuvor drei nordvietnamesische Gefangene zu Tode gefoltert und ihr Blut in Anwesenheit von Soldaten der Spezialkräfte A zu sich genommen. Diese Unglücklichen waren durch ihre After gepfählt worden und hatten die gleiche Behandlung mit dem Speer erhalten. Später waren ihre Körper entlang feindlichen Infiltrationslinien als tödliche Warnung an den Feind aufgestellt worden.

Dieser Tag wurde zu meinem persönlichen "Apocalypse Now"-Moment, ein ganzes Jahrzehnt bevor Francis Ford Coppolas Film veröffentlicht wurde. Nur kurz zuvor war uns persönlich bewußt geworden, daß Soldaten des 1. Bataillons, 20. Infanterie in My Lai gewütet hatten, als Militärpolizei unseren Bunker auf der Suche nach Beweisen durchwühlte und Rusty Calley in Handschellen abführte. Währenddessen schufen "Tiger"-Mannschaften rücksichtsloses, blutiges Chaos auf der Batangan-Halbinsel gegen vermeintliche feindliche Kader. Brutalität gegen Zivilisten war die Standardvorgehensweise. Aufgrund der Umsiedelungen im Rahmen des Befriedungsprogramms begannen ganze Landstriche dem Verbrannten Distrikt in Missouri während des Bürgeekriegs zu ähneln.

Das Phoenix-Programm war in vollem Gange und es war der Horror, um jeglichen Horror zu beenden. Ich hatte schon zuvor bei einer Mission der Polizei der südvietnamesischen Armee mitgemacht und ich werde Ihnen die Details ersparen. Vertrauen Sie mir, Sie wollen nicht wissen, was getan wurde. Dort zu stehen und Donaldson dabei zuzusehen, wie er aus der Tasse trank, der tiefgründige Symbolismus all dessen, was falsch war, traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ironischerweise schnappte sich eine Antikriegspostille namens "Overseas Weekly" oder "Overseas" eines meiner Bilder und untertitelte es mit "Heeres-Offizier trinkt Blut in heidnischen Zeremonien".

Bis zum Februar 1969 hatte die Moral der Brigade aufgrund der schrecklichen Verluste, vorrangig durch Sprengfallen verursacht, den absoluten Tiefstpunkt erreicht und ein ganzes Bataillon wurde wegen Funktionsunfähigkeit deaktiviert. Die Nordvietnamesen beschossen unsere Artillerie endlos mit 122 Millimeter-Raketen und LZ Bronco wurde bald während eines berühmten Angriffs der "Brennendes Duc Pho" genannt wurde, über 200 Mal getroffen. Meutereien, Befehlsverweigerung und das Abknallen von Offizieren wurden alltäglich. Soldaten knallten durch und einige begangen Selbstmord. einer der durchgeknallten Soldaten eröffnete das Feuer in das Kriegsgefangenenlager und tötete eine Reihe von gefangenen Feinden. Oberst Donaldson und ein Bataillonskommandeur, zwei der höchstrangigen Offiziere in der Brigade, wurden wegen der Ermordung von Zivilisten aus Hubschraubern angeklagt, während die Untersuchung von My Lai noch im Gange war. Ein junger Major Colin Powell von der 11. Brigade, der mit Donaldson bekannt war, schrieb in seiner Autobiographie, wie fassungslos er über das war, was in der 11. passierte. Vielleicht hatte er seinen eigenen "Apocalypse Now"-Moment erlebt.

Meine Eingeweide verkrampfen sich, wenn ich sehe, daß die gleichen Alpträume im Irak wieder zur Realität werden und ich frage mich, was mit Amerikas Seele passiert ist. Ist es das, was wir wollen, eine weitere Generation, gesäugt am Gift einer gesetzlosen Führung? Gooks sind zu Ragheads geworden, jeder Erwachsene ist ein Rebell, der gefoltert werden kann und jedes irakische Haus mit Männern, Frauen und Kindern ist ein "Feuer frei"-Gebiet. Selbst Gotteshäuser werden eingeebnet. Wieder einmal wurden wir in ein Irrenhaus in der Twilight Zone angeführt.

Wie ist es passiert? Warum saßen wir tatenlos da und ließen unsere Anführer einen unprovozierten Stellvertreterkrieg führen? Ein Atompilz über Cleveland, ausgelöst von einem lächerlichen Irak, der nicht einmal ein Flugzeug in die Luft oder einen schrottreifen Panzer jenseits seiner Grenzen bringen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen? Moment mal. Wie konnte sich der durchschnittliche Otto Normalverbraucher davon überzeugen lassen zu glauben, daß Saddam Hussein eine Bedrohung war?

Jetzt wo der Iran im Fadenkreuz ist, bete ich, daß unser nationaler Gedächtnisschwund nachläßt. Ich weiß, daß sich von Küste zu Küste eine wachsende Anzahl von Menschen, insbesondere Kriegsveteranen wie ich hilflos, verwirrt, verängstigt und völlig neben der Spur fühlen. Nach drei Jahren im Irak, warum hören wir immer noch den gleichen Refrain, vorbeugender Krieg bis in die nächste Generation? Weiter und weiter geht es, aber leider behandeln unsere kaiser in Washington Mittelklasse-Amerikaner, die harte Frage stellen, wie Geldeintreiber bei einer Beerdigung oder brandmarken sie öffentlich als Extremisten und Verräter. Und bloß nicht nach der israelischen Beteiligung an der Katastrophe, die Dubya Mittlerer Osten-Politik nennt, fragen.

Ich horche vergeblich nach den Stimmen der jungen Amerikaner, die direkt und unmittelbar betroffen sein werden. Die derzeitigen Ereignisse im Mittleren Osten sollten höchste Bedeutung haben, aber unerklärlicherweise sind die Kinder völlig lässig. Mit Internet und X-Boxen aufgewachsen ist der Irak für sie vielleicht nur eine weitere Hollywood-Produktion. Aber ich werde eine Voraussage machen. Unsere Rettung wird kommen, wenn Einberufungsbescheide in den Briefkästen ankommen und kein Zweifel, sie werden kommen. Ich sage voraus, daß die jungen Stimmen bald die lautesten gegen das Imperium sein werden, wenn die Hip-Hopper, die Bopper und die Faulenzer brutal entdecken, daß unfreiwillige Kampfhandlungen keine Video-Spiele oder Ghettoblaster, kein Kampftrinken und ganz sicher keine Mädchen in String-Bikinis bedeuten.

Wir in der älteren Generation können den Dingen weiterhelfen. Zuerst müssen wir den Fernseher abschalten und etwas amerikanische Geschichte lernen, wie jene Teile, die uns wiederholt vor ausländischen Verstrickungen und gefühlsmäßigen Bindungen warnen. Denkt wirklich darüber nach, welche Art von Amerika wir unseren Kindern übergeben. Organisiert Einheiten von alten Knackern, um Politiker zu löchern und rekrutiert eine Nichtstuer-Kavallerie, um E-Mails auf jeden Bürokraten in Sichtweite niederprasseln zu lassen. Laßt sie alle wissen, daß wir uns nicht um ihre Neue Weltordnung und ihre Unternehmerische Zukunft scheren. Sagen Sie Washington, daß unprovozierte, vorbeugende Kriege gegen alles gehen, das amerikanisch ist und daß wir ihnen nicht länger das Gute Mörderische Siegel der Zustimmung geben.

Wo wir schon dabei sind, laßt uns uns ernsthaft anstrengen, um gewählten Abgeordneten bei jeder Gelegenheit laut und klar zu sagen, daß wir unsere Regierungen von den politischen und unternehmerischen Lobbies zurückwollen. Gebt der ganzen bürokratischen Struktur die Botschaft, daß wir schnell die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit wollen, bei allem, das unsere Leben beeinflußt, bevor wütend eine weitere Kugel abgefeuert oder eine Bombe abgeworfen wird. Insbesondere dem US-Außenministerium muß diese Botschaft in die Köpfe getrommelt werden, bis sie alle einen Tinnitus haben.

Vergesst nicht die Billy Grahams, Jerry Falwells und Pat Robertsons und die Legionen ihrer religiösen Roboter. Fragt diese Bibel-Pocher eine einfache Frage: Bruder, wen würde Jesus bombardieren, foltern, vergewaltigen und ermorden? Während sie an ihrer eigenen Scheinheiligkeit ersticken, leitet sie zum Buch des Johannes im Neuen Testament für eine theologische Auffrischung. christus wurde nicht einfach so der Friedensfürst genannt.

Erinnert ständig jeden der zuhört daran, daß die amerikanische Revolution mit einer wild entschlossenen Hingabe gedieh, den neuen Kontinent von zweitausend Jahren der Imperien, der Monarchien, der Feudalherrscher und der bewaffneten religiösen Einrichtungen, an der Macht gehalten durch brutale Gewalt und dem Grundsatz "Macht schafft Recht", frei zu halten. Menschen wie Washington, Jefferson und Franklin riefen stattdessen nein, RECHT schafft Macht. Jenes zeitlose Konzept war eine unzerstörbare Waffe gegen die Rotjacken von König George und es ist ebenso mächtig gegen Atomwaffen und Flugzeugträgerverbände.

Ja, es wird Mumm erfordern, aber was ist unsere Alternative? Entweder beginnen wir selbst, nach unseren eigenen Idealen zu leben, oder die Welt wird uns bald dazu zwingen. Falls sie uns überhaupt für rettenswert erachten.

Übrigens, meiner Einheit wurde ein ganzes Kapitel in der Time Life Vietnam-Sammlung über Kriegsphotos und Korrespondenten gewidmet. Kurz gefaßt, gingen wir mit Soldaten, Aufklärern, Spezialkräften, Pionieren, Artillerie überall hin, wo Kämpfe erwartet wurden. Wir dienten als die Augen des Militärs, beobachteten die Kämpfe und Verlustzahlen und reichten sie weiter und so weiter. Infolgedessen hatten wir einen guten Überblick. Unsere Einheit bestand fast ausschließlich aus kampferfahrenen Soldaten, die in die Einheit nach Erfahrungen im Busch eintraten. Man muß etwas abgebrüht sein, um sich auf seine Kamera zu konzentrieren, während Leute auf einen mit automatischen Waffen oder Explosivgeschossen schießen. Ich wurde einmal bei einem Angriff gegen die Nordvietnamesen im ersten Huey in einem Landegebiet - so daß ich Bilder von den ankommenden Soldaten machen konnte - angeschossen. Insgesamt nahm ich an über 30 echten Kampfeinsätzen und weiteren an Bord von Sanitätsflügen teil. Meine Kumpel hatten alle ähnlich grauenhafte Erfahrungen, einer von ihnen wurde von einer Kugel durch die Linse seiner Kamera getroffen. Ich glaube, alle von uns erhielten innerhalb von 11 Monaten vier Battle Stars, was eine vorzeitige Entlassung aus Vietnam von vier Wochen bedeutete. Wir hatten alle Spitznamen und meiner war Torch [Fackel].





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