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Nakba-Tag

Aktivisten machen die arabische Geschichte Jerusalems lebendig

27.05.2006  


Neta Alexander
Übersetzung Ellen Rohlfs




Neta Rotem, eine 23-jährige Studentin, stand nahe der Kasse des Jerusalem-Theaters. Dutzende eilten an ihr vorbei zu der Feier, bei der der Dichterin Nurit Zarhi der Yehuda Amihai-Preis für ihr Lebenswerk überreicht wurde. Rotem überreichte ihnen Broschüren, auf denen auf einer Seiten stand: "Erinnerst du dich an die Kakteen, die du bei Wanderungen gesehen hast? Sie waren die Hecken rund um palästinensische Dörfer", während die andere Seite einen Überblick über die arabische Geschichte des Stadtteils Talbieh, wo das Theater steht, bot.

"Wir setzen Flugblätter, Filme, Bilder und Zeugenaussagen ein, um die arabische Geschichte des Ortsteils lebendig zu machen," erklärte sie. "Heute ist Talbieh einer der reichsten Stadtteile der Stadt. Fünf Minuten von hier ist der Wohnsitz des Premierministers; der belgische Konsul lebt in der Nähe und das Goethe-Institut ist nahebei. Aber dieser Stadtteil hat noch eine andere Geschichte: Mitte Februar 1948 brachte die Haganah ihre Leute hierher und rief alle Bewohner, überwiegend Palästinenser, dazu auf, zu gehen. Einige flohen nach Ost-Jerusalem, in den Libanon oder nach Ägypten und ihre Wohnungen wurden Juden gegeben. Leider wollen nur wenige Israelis diese einfachen Fakten anerkennen und einige wissen nicht einmal, daß ganze Dörfer zerstört wurden."

Rotems Aktivitäten sind ein Teil des "Nakbah 60"-Projektes, eine Verbindung von fünf jüdischen und palästinensischen Organisationen, die vor anderthalb Jahren gegründet wurden. "Das Projekt hat zum Ziel, das Bewußtsein für die Nakba ("Katastrophe", die palästinensische Bezeichnung für Israels Unabhängigkeitstag) im Zusammenhang mit dem 60. Jahrestag der Ereignisse im Mai 2008 zu wecken," erklärte Lotan Raz, einer der Aktivisten.

"Eine Initiative hielt an verschiedenen Jerusalemer Örtlichkeiten, wo verlassene Dörfer standen, vier Veranstaltungen ab: am neuen Zentralbusbahnhof (in der Nähe von Lifta), in Emek Refaim (früher Bakaa), am Theater und in Ein Kerem", sagte Raz. "All diese Aktivitäten geschehen in der Woche zwischen dem israelischen Unabhängigkeitstag und dem Nakba-Tag (15.5.). Zusätzlich zu diesen Straßen-Events wurde zuvor in dieser Woche eine Fahrt nach Lifta zu verlassenen Häusern gemacht."

Letzten Mittwoch versammelten sich Aktivisten am Theater um einen Diaprojektor und zeigten Bilder von Talbiehs arabischen Häusern und den Ruinen anderer arabischer Dörfer, einschließlich Liftas und Deir Yassins (heute der Stadtteil Givat Shaul). Vor diesem Hintergrund las Raz Zeugenaussagen von Palästinensern vor, die 1948 gingen, einschließlich Edward Said, Autor des Buches "Orientalismus", der 1998 noch einmal das Haus seiner Kindheit besucht hatte.

Die Reaktionen gingen von Zorn bis Apathie. "Wandert doch aus, wenn es euch nicht gefällt", schrie eine Frau, während sie im Theater verschwand. Andere nahmen die Broschüren mit.

"Das Wecken von Bewußtsein braucht sehr lange Zeit," sagte das Koalitionsmitglied Tamar Avraham. "Wir arbeiten gegen eine sehr starke Geschichte, die den Unabhängigkeitstag als etwas darstellt, das nur positive Seiten hat. Ich befasse mich bei meiner Arbeit in Yad Vashem mit der jüdischen Erinnerung. So war dies für mich ganz selbstverständlich. Einige Leute sagen sehr schnell, 'die Nakba und der Holocaust sind nicht dasselbe', obwohl ich nie behauptet habe, sie seien ähnlich. In Israel hat man Angst davor, sobald man sich mit der Nakba befaßt, würde die Erinnerung an den Holocaust darunter leiden. Wir versuchen, die Angst zu nehmen."

Die Koalition wird von EPER, der Vereinigung Schweizer Protestantischer Kirchen, die sich um Koexistenz in 45 von Krieg zerrissenen Ländern wie dem Sudan und Sri Lanka bemüht, finanziell unterstützt.

Die Polizei ist weniger interessiert. Nach einer Stunde fuhr ein Polizeiwagen mit Blaulicht vor dem Theater vor. Raz schaltete schnell das Mikrophon und den Diaprojektor aus. Die Polizei forderte die Leute auf, zu gehen. Bemühungen, zu erklären, daß es sich um eine "kulturelle Veranstaltung" handelte, schlugen fehl und die Aktivisten eilten davon.





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