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"Beendet das Verbrechen sofort"

Rede zur Belagerung des Gaza-Streifens

10.12.2006  


Rela Mazali
Übersetzung Ellen Rohlfs




Laßt es uns offen sagen: Israels Beschuß von Gaza ist nicht zu Ende. Es gibt keine israelische Waffenruhe in Gaza. Es gibt keine israelische Waffenruhe, auch wenn Israels Soldaten keine einzige Kugel im Gaza-Streifen abfeuern.

Im Gaza-Streifen sind die Lebensmittel knapp. Israel verweigert dem Gaza-Streifen Lebensmittel. 70 Prozent der Familien im Gaza-Streifen haben nicht genügend zu essen. Die Preise für Nahrungsmittel sind gestiegen und steigen weiter. Der Preis für Mehl ist um ein Drittel gestiegen. Israel verbietet das Fischen an der Küste des Gaza-Streifens und verweigert so den Zugang zu Protein, das für viele sehr wichtig ist. Mangel an Lebensmitteln läßt Menschen verhungern und sterben. Lebensmittel zu verweigern ist wie schießende Gewehre.

Das Trinkwasser ist knapp im Gaza-Streifen. Israel unterbricht die regelmäßige Wasserzufuhr, das Wasser zum Trinken und zur Hygiene. Wassermangel tötet. Das Wasser zu verweigern kommt schießenden Gewehren gleich.

Im Gaza-Streifen sind die Medikamente knapp. Israel verweigert Gaza die Medizin. Der Bruder eines Freundes, ein Arzt, der in einem Krankenhaus arbeitet, nennt sich jetzt selbst Photograph. Er kann seine Patienten zwar röntgen, ihnen aber keine Behandlung anbieten. Wenn keine Medikamente vorhanden sind, bedeutet das für viele den Tod, besonders für Kinder, Alte und kranke Menschen. Keine Medizin wirkt wie schießende Gewehre.

Es gibt zu wenig Strom in Gaza. Seit neun Monaten weigert sich Israel, der palästinensischen Behörde die einbehaltenen Zoll- und Steuergelder auszuzahlen; es wäre die Hälfte des Jahresbudgets. Israel hält den Lohn von 165.000 Angestellten vom Gaza-Streifen und der West Bank zurück. Sie stellen 40 Prozent der Arbeitskraft dar. Im Gaza-Streifen und in der West Bank sind 1.070.000 Menschen ohne grundlegende Lebensmittelversorgung. Seit 9 Monaten halten Israel und die Welt zusätzliche Geldmittel zurück. Die Landwirtschaft, die Produktion und der Handel sterben innerhalb der palästinensischen Behörde – und die Menschen mit. Wirtschaftliche Belagerung ist wie schießende Kanonen.

Im Gaza-Streifen gibt es keine Bewegungsfreiheit. Den Menschen die Bewegungsfreiheit zu rauben, tötet die, die eine lebensrettende Behandlung im Ausland benötigen oder auch von der Arbeit im Ausland abhängen; es tötet auch Frauen, die gezwungen werden, ohne Hilfe Kinder zu gebären; es tötet auch die Babys dieser Frauen. Mehr als je sind die Arbeitslosen gezwungen, zu Hause zu bleiben und sind so frustrierender Demütigung und wütend machender Hilflosigkeit ausgesetzt; mehr denn je sind Frauen so auch häuslicher Gewalt ausgesetzt und stecken so in der Gefahrenzone ihrer Familien wie in einem Gefängnis. Die Verweigerung der Bewegungsfreiheit ist wie das Schießen von Kanonen.

Die Belagerung des Gaza-Streifens ist wie maskiertes Kanonenfeuer. Seine Opfer werden nicht als Israels Opfer gezählt. Sie schafft eine Herrschaft von schleichendem, unsichtbaren Tod. Sie behauptet nicht einmal, daß sie Kämpfer von Zivilisten unterscheidet. Doch tötet sie vor allem die Hilflosen.

Laßt es uns offen sagen: Israel hat den Gaza-Streifen in ein Todeslager verwandelt.

Es stimmt, die Belagerung ist nicht total. Es gibt keinen Hunger als solchen im Gaza-Streifen, es gibt Lebensmittel, aber nicht genug. Es gibt Strom, manchmal, aber nicht genug.

Es gibt auch Medizin, für einige, aber nicht genug. Es gibt Ausreisen und Einreisen an den Grenzen, sporadisch, nicht genug.

Israel hat den Anschein einer humanitären Belagerung geschaffen; eine Massenvernichtungswaffe, die sich in den Details verbirgt, die sich nur in genauen Information und persönlichen Geschichten widerspiegelt. Aber der Zugang zu Gaza ist schwierig, die Kommunikation unregelmäßig. Die Leute kämpfen um das tägliche Überleben. Wieviel Zeit können sie noch ins zählen, festhalten, schreiben, photographieren investieren? Die Belagerung des Gaza-Streifens ist auch eine Belagerung der Informationsfreiheit.

Daher ist es seit neun Monaten die Belagerung ziemlich erfolgreich gelungen, diese einfache Wahrheit zu verstecken: die Belagerung des Gaza-Streifens ist ein Verbrechen; es ist willkürlicher Mord; es ist eine systematische Hinrichtung von Geiseln; der Tod wird rücksichtslos herbeigeführt.

Und das Muster ist klar: während die Situation im Gaza-Streifen jetzt schlimm ist, wird Israel diese Belagerung morgen auf der West Bank hinter der Mauer ausdehnen.

Der Gaza-Streifen und die Westbank werden weiter unter Feuer stehen, bis sich auch wieder Sderot entfachen. Das kugelfreie Schießen, das Israel auf die Armen von Gaza feuert, ist auch ein stellvertretendes Schießen auf die Armen von Sderot. Das Belagerungs-Feuer des Gaza-Streifens instrumentalisiert das photogene Leiden Sderots um die Tatsache zu rechtfertigen und zu verbergen, daß Israels Führer erneut den Krieg wählen.

Die Todes-Belagerung des Gaza-Streifens ist dafür gedacht, die palästinensische Bevölkerung weiter in Wut entbrennen zu lassen. Sie ist auch dafür bestimmt, entrechtete Gruppen innerhalb Israels auszubeuten. Sie ist dafür bestimmt, ein falsches Bild eines Frieden suchenden und sich zurückhaltenden Israels vorzustellen. Sie ist vor allem dafür bestimmt, einen wahren politischen Prozeß und einen gerechten Frieden zu verhindern und gleichzeitig Israel von der Verantwortung für einen Krieg zu befreien. Die Belagerung, die im Namen von Israels Verteidigung ausgeführt wird, ist nur dafür bestimmt, Israels machtvolle Politik der Stärke und des Landraubes zu verteidigen.

Ich stehe hier, um Olmert, Peretz und Halutz und jedem einzelnen, der in der Regierungsarmee dient, zu sagen: Eure Belagerung des Gaza-Streifens ist ein Verbrechen. Sie ist - unter allen Umständen, mit jeglicher Begründung - gewissenlos. Sie ist ein offenkundig unmoralischer Akt.

Ein ehemaliger Generalstabschef, Moshe Ya'alon konnte kürzlich nur knapp einer Anklage wegen Kriegsverbrechen in Neuseeland entkommen. Erstmal. Die Welt beginnt, wenn auch langsam, gegen Israels Kriegsverbrecher vorzugehen. Und heute stehen mit uns Gruppen aus 100 Städten und Gemeinden in Europa, Nordamerika, in Asien und Australien gegen die Belagerung, gegen die verlängerte Unterdrückung des palästinensischen Volkes.

Das Verbrechen dieser Belagerung ist nicht weniger schändlich und entsetzlich, als das schändliche Verbrechen, das vor 24 Jahren hunderttausende auf den Platz hier brachte. Auch damals in Sabra und Shatila wurde die Tat verheimlicht. Auch damals wurden gefangene hilflose Opfer blind getötet. Heute bringen wir wieder unsere Scham auf diesen Platz und verlangen von Ihnen: Schluß. Jetzt. Bedingungslos. Beendet das Verbrechen sofort. Schluß mit der Belagerung.



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