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"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen"

Steinmeier, Schily, der Fall Kurnaz und die Demokratie

28.01.2007  






Die Versuche der damals verantwortlichen Politiker, jede Mitverantwortung im Fall Murat Kurnaz so weit als nur irgend möglich von sich zu weisen, führen mittlerweile dazu, daß sich ihre öffentlichen Erklärungen widersprechen.

"Die frühere Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt auch nur andeutungsweise den Versuch gemacht, die Freilassung von Kurnaz zu verhindern oder auch nur zu behindern. Im Gegenteil: Es gab Bemühungen, die US-Regierung zu einer Freilassung zu bewegen", sagte der damalige deutsche Bundesinnenminister Otto Schily in einem am Sonntag in der "Bild am Sonntag" veröffentlichten Interview.

Ganz anders hingegen klang der heutige deutsche Bundesaußenminister und damalige Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier in einem Spiegel-Interview am Samstag. "Ich würde mich heute nicht anders entscheiden", sagte er darin. "Man muß sich ja nur vorstellen, was geschehen würde, wenn es zu einem Anschlag gekommen wäre und nachher stellte sich heraus: Wir hätten ihn verhindern können."

Während Steinmeier also offenbar bereits eingesehen hat, daß die anfängliche Strategie der totalen Leugnung angesichts immer neuer auftauchender Informationshäppchen - wie die Erkenntnis, daß auch deutsche Beamte "illegale Verhörmethoden" bei Kurnaz anwendeten - nicht mehr haltbar ist, geht Schily bisher weiter unbeirrt diesen Weg. Immerhin könnte die bereits gegen Steinmeier gestellte Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung auch auf ihn und weitere Mitglieder der damaligen Regierung erweitert werden.

Dies ist der Skandal hinter dem Skandal. Nicht nur, daß den beteiligten Politikern offenbar schon damals ihr rechtswidriges Handeln bewußt war und sie dementsprechend alles daransetzten, es zu vertuschen, selbst heute sehen sie sich nicht in der Lage, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Die Eingeständnisse bewegen sich immer bestenfalls knapp unter den neusten Enthüllungen der Medien. Bemerkenswert auch die beginnenden Absetzbemühungen der Grünen. Während sich das Außenministerium unter Joseph "Joschka" Fischer um Kurnaz' Freilassung "bemüht" habe, sei "offensichtlich auf unterschiedlichen Kanälen von anderen widersprüchlich gearbeitet" worden, sagte die heutige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und damalige Verbraucherministerin Renate Künast gegenüber der Frankfurter Rundschau. Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, forderte im Münchner Merkur eine "vollständige Aufklärung des Falls ohne Ansehen der Person."

Es ist diese Strategie der häppchenweisen Geständnisse, die den Menschen den letzten Rest Vertrauen in die Politik und die Politiker raubt. Wenn sie immer nur gerade so viel Fehlverhalten zugeben, wie sich beim besten Willen nicht mehr leugnen läßt, dann ist der Verdacht, daß "da noch viel mehr ist" nicht nur naheliegend, er entsteht mit absoluter Sicherheit. Dies ist keineswegs ein neues Verhaltensmuster - aber gerade das macht es für eine Demokratie so gefährlich. Es ist auch und gerade dieses Kindergarten-gleiche Leugnen bis zum letzten Moment, das den Menschen seit Jahren jegliches verbliebene Interesse an der Politik raubt. Immer wieder wurde von Politikern in derartigen Situationen geradezu hingebungsvoll demonstriert, daß ihnen nicht zu trauen ist. Vertrauen ist aber eine Grundvoraussetzung der Demokratie, da der Wähler durch seine Stimmabgabe die Macht in die Hände der gewählten Politiker legt.





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