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Den Finger am Abzug

Schäuble macht weiter

19.04.2007  






In einem am Donnerstag im Stern veröffentlichten Interview machte der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einmal mehr - wenn auch kaum absichtlich - auf eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland aufmerksam: sich selbst.

In dem Interview verteidigte Schäuble seine im weiter gehenden Pläne, die auf einen Abbau der Demokratie und den Aufbau eines Polizeistaates hinauslaufen. "Ich kann an all den Plänen nichts Schlimmes erkennen", sagte er. Es werde nicht die Freiheit beschnitten, sondern vielmehr versucht, sie zu schützen. "Die Gewährleistung von Sicherheit für Leib und Leben ist wesentlicher Teil der Aufgabe des Staates", so Schäuble weiter.

Schäuble ging aber auch - wie von ihm kaum anders zu erwarten, hielt sich der ihm und seinen Plänen entgegengebrachte Widerstand doch bisher in Grenzen - erneut einen Schritt weiter. So stellte er sich in dem Interview auf den Standpunkt, daß fundamentalste Grundlagen des Rechtsstaates "im Kampf gegen terroristische Gefahren" nicht gelten könnten. "Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als daß ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche. Nach meiner Auffassung wäre das falsch", so Schäuble. Schon das von ihm angeführte Gedankenspiel ist schon ebenso manipulativ wie realitätsfern. Das Verhältnis von "verhinderten Anschlägen" zu "unschuldigen Opfern der Behörden" dürfte statt bei 10 zu 1 in Wahrheit bestenfalls bei 1 zu 10.000 liegen - zuungunsten der unschuldigen Opfer. Die Folgen einer von Schäuble offenbar angestrebten "präventiven Strafverfolgung" - möglicherweise sogar durch die Bundeswehr, immerhin ist deren Einsatz im Innern eine weitere von Schäubles Forderungen - macht ein Blick auf den vor zwei Jahren aufgrund eines "Irrtums" in London erschossenen Jean-Charles de Menezes.

Tatsächlich scheinen sich Schäubles Forderungen immer mehr zu einem Bild zu formen. Er fordert weiterhin - in offenem Widerspruch zum Grundgesetz und einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - die Möglichkeit, (vermeintlich) zu terroristischen Zwecken entführte Passagiermaschinen abschießen zu können. Außerdem will er - wiederum im Widerspruch zum Grundgesetz - die Bundeswehr auch im Innern einsetzen. Es ist nur allzu naheliegend zu vermuten, daß er in dem Interview bereits an den "präventiven" Abschuß von Flugzeugen gedacht hat. Sollte dies der Fall sein, so wäre es langsam an der Zeit, zu überprüfen, ob er nennenswert Beteiligungen an oder sonstige tiefergehende Beziehungen zu Flugzeugbauern unterhält, wären derartige Präventivmaßnahmen für diese doch ohne Zweifel umsatzfördernd.

Sollte es ihm in diesem Fall nicht um diesen, von ihm immer wieder verteidigten Verfassungsbruch gehen, sondern "nur" um Hausdurchsuchungen und Verhaftungen, so wäre dies ein noch weitaus bedeutenderer Schritt in einen Polizeistaat. Schon jetzt können Polizeibeamte bei "Gefahr im Verzug" ohne vorhergehenden richterlichen Beschluß all jene Maßnahmen anwenden - müssen dies allerdings im Nachhinein begründen. Genau diese Regelung soll es den Behörden gestatten, einerseits schnell auf Bedrohungen oder andere Gefahren, beispielsweise der Vernichtung von Beweismitteln, reagieren zu können. Wenn Schäuble nun fordert, daß den Beamten hier mehr "Freiheit" gegeben werden müsse, so kann dies nur bedeuten, daß er ihnen völlig freie Hand - ohne eine spätere Überprüfung - lassen will. Damit wäre vollständiger Willkür Tür und Tor geöffnet. Daran ändert auch nichts, daß Schäuble dies "nur" im Zusammenhang mit "Terrorismus" freigeben will. Einerseits ist zu erwarten, daß, sollte es ihm gelingen, ein solches Gesetz erfolgreich durch das Parlament zu bringen, dies zukünftig immer weiter ausgeweitet würde, andererseits zeigt aber auch ein Blick auf die USA, daß hierfür auch ein anderer Weg - die Ausweitung des Begriffs "Terrorismus" möglich ist.

In einem Punkt hatte Schäuble allerdings offenbar uneingeschränkt Recht. Nachdem die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries verfassungsrechtliche Bedenken gegen einige von Schäubles Plänen geäußert hatte, sagte Schäuble: "Ich wehre mich sehr dagegen, daß die Bundesjustizministerin jetzt öffentlich den Eindruck erweckt, als wäre unsere Zusammenarbeit nicht so konstruktiv, wie sie in Wahrheit ist."

Am Donnerstag nun nahm Zypries Schäuble in einem Interview gegenüber dem Deutschlandfunk in Schutz. Schäuble sei aufgrund seiner Forderungen "natürlich" kein "Sicherheitsrisiko", wie der SPD-Politiker Klaus-Uwe Benneter zuvor geäußert hatte. Auch gegen die Aussage der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ute Vogt, Schäubles Vorschläge oder er selbst würden zunehmend zu einer Gefährdung für Freiheit und Demokratie, verwahrte sich Zypries, die Debatte sei "im Moment etwas aufgeheizt", was zu "Mißverständnissen" führe. Die "Zusammenarbeit" Schäubles mit Zypries ist also offenbar tatsächlich äußerst "konstruktiv".

Gleichgültig, ob Schäuble die Waffen letztlich auf Flugzeuge oder einzelne Verdächtige richten will, auf eines hat er sie bereits gerichtet: genau jene Freiheit und Demokratie, die er vorgibt, verteidigen zu wollen. Daß sich zwar tatsächlich etwas Widerstand gegen seinen neusten Vorstoß regt, ist bemerkenswert. Noch weitaus bemerkenswerter ist allerdings, daß sich dieser ausdrücklich nur gegen diesen Plan und keineswegs Schäubles Zukunft als Bundesinnenminister richtet, ist es doch gerade sein Ministerium, dem auch der Verfassungschutz untersteht.





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