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Mit allen Mitteln

Hamburger Ausländerbehörde ließ Familie überwachen

03.05.2007  






Am Mittwoch vergangener Woche berichtete die Pressestelle des Hamburger Oberverwaltungsgerichts (OVG) über den Entscheid des Gerichts in einem Fall, der einmal mehr zeigt, wie gleichgültig sich Behörden gegenüber Bürgerrechten verhalten.

Eine bosnische Staatsangehörige war 1993 mit ihren beiden Kindern nach Deutschland gekommen und hier anfänglich seitens der Ausländerbehörde "geduldet" worden. Von Juli 1995 bis Mai 1997 hatte sie auch "aufgrund ausländerrechtlicher Weisungen" die "Aufenthaltsbefugnis" erhalten. Am 30. April 1999 wurde ihre Ehe mit einem Bosnier in Abwesenheit in Bosnien geschieden. Am 21. Oktober 1999 heiratete sie dann einen deutschen Staatsangehörigen, der sich bereits am 20. Juni des selben Jahres unter ihrer Adresse beim Einwohnermeldeamt gemeldet hatte. Aufgrund der Eheschließung wurde ihr dann eine zunächst einjährige Aufenthaltserlaubnis erteilt, die mehrfach bis schließlich zum 15. Dezember 2003 verlängert wurde. Eine weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde ihr dann verweigert und ihr wurde die "Abschiebung" nach Bosnien-Herzegowina "angedroht". Begründet wurde dies mit "Zweifeln" des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft - ihr wurde vorgeworfen, mit dem Deutschen nur eine "Scheinehe" eingegangen zu sein, um so das Aufenthaltsrecht zu erlangen. Auslöser hierfür war offenbar ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihren ersten Ehemann - eine zumindest als gewagt zu bezeichnende Logik.

Vorangegangen waren im Dezember 2002 getrennte Anhörungen der beiden Eheleute bei der Ausländerbehörde. Dabei kamen die Beamten zu dem Schluß, daß die nicht näher begründeten und genannten "Zweifel" an der Ehe bestünden. Es begann eine Reihe von Bescheiden und gegen sie eingelegten Widersprüchen. Am 23. Februar 2004 erstattete die Ausländerbehörde Hamburgs Strafanzeige gegen die Bosnierin wegen Verdachts der Scheinehe. Am 25. Juni stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren aufgrund Mangels an Beweisen ein. Dies führte allerdings keineswegs zu der Erkenntnis, daß die vorherigen "Zweifel" an der Ehe berechtigt seien. Vielmehr beauftragte die Behörde nach eigener Aussage am 7. Juni 2005 eine Detektei, dementsprechende Ermittlungen anzustellen, wobei "Dauer und Maßnahmen der Observation der Detektei überlassen wurden". Allein die Kosten hierfür seien "erörtert" worden.

Schon die Tatsache, daß hier dem Auftragnehmer einer Behörde freie Hand bei der Bestimmung des Umfangs seiner Leistungen - also der letztlich von Steuergeldern zu begleichenden Rechnungen - gelassen wurde, ist sicherlich bemerkenswert und geht kaum mit den Ausschreibungsrichtlinien von Behörden konform.

Letztlich führte dies dazu, daß der Eingangsbereich des Wohnhauses des Ehepaares sechs Wochen lang rund um die Uhr mit einer Videokamera überwacht wurde. Nachdem es gelungen war, unter einem Vorwand von einem der Söhne der Frau die Mobiltelephonnummer ihres Ehemannes zu erfahren und diesen zu kontaktieren konnte auch sein Fahrzeug identifiziert werden. Dieses wurde daraufhin mit einem GPS-gestützten Peilsender verwanzt. Diese "Ermittlungen" führten zu der Erkenntnis, daß sich der Ehemann der gemeinsamen Wohnung in der Zeit der Beobachtung nicht genähert habe sondern vielmehr anscheinend eine eigene Wohnung unterhielt.

Daraufhin entschied das zuständige Hamburger Verwaltungsgericht, sich der Position der Ausländerbehörde anzuschließen, Als weiterer Beleg für die "Scheinehe" wurde genannt, daß der Ehemann 17 Jahre jünger als die Bosnierin ist. Ein solcher auf die Gesamtzahl der Eheschließungen in Deutschland angewandter Grundsatz mag zwar zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen führen, ist aber sicherlich kaum als Rechtsgrundlage geeignet.

Das Oberverwaltungsgericht kam in der Berufung hingegen zu dem Schluß, daß es sich hier um gesetzwidrig erlangte Beweismittel handelte, die dementsprechend nicht zulässig seien, da sie die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzten. Weder das Bundesrecht noch das Hamburgische Landesrecht sähen eine gesetzliche Grundlage für solche Maßnahmen vor. Die Erkenntnisse, die die Ausländerbehörde unter Verletzung individueller Rechte erlangt habe, dürften grundsätzlich weder im weiteren Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren unmittelbar verwertet werden.

Nicht nur, daß es zweifelsohne auch Ehen gibt, die Bestand haben, während die Ehepartner in getrennten Wohnungen leben, diese Fragestellung berührte das Problem letztlich gar nicht mehr. Da die Feststellung, daß die Ehepartner anscheinend in getrennten Wohnungen lebten, erst im Jahr 2005 stattfand, hatte die Ehefrau längst ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben, da die zwei Jahre nach ihrer Eheschließung längst vergangen waren.

Es ist nur zu offensichtlich, daß die Hamburger Ausländerbehörde alles daran setzte, die Bosnierin in ihr Heimatland abschieben zu können. Die Tatsache, daß dabei ebenso offenkundig rechtswidrige wie kostspielige Mittel - die Gerichtsverfahren noch gar nicht gerechnet - eingesetzt wurden, hat bisher zu keinerlei bekannten Konsequenzen für die Verantwortlichen geführt.

Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie bereit staatliche Stellen sind, den "Rahmen der Möglichkeiten" nicht nur bis an seine Grenzen, sondern auch weit darüber hinaus auszuschöpfen. Wer die Geschichte kennt, dem ist diese Erkenntnis zwar sicherlich nicht fremd, angesichts immer neuer Forderungen zur Pauschalüberwachung der Bevölkerung zur "Terrorbekämpfung" könnte sie aber kaum aktueller sein.





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