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Friedensbewegung: Urteil war zu erwarten

Ein politisches Urteil des Bundesverfassungsgerichts - Friedensbewegung antwortet politisch

03.07.2007  


Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag




Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG ) ist sich einmal mehr treu geblieben. Bereits 1994 hatte es in einem denkwürdigen Urteil Auslandseinsätze jeglicher Art (Frieden erhaltende und Frieden erzwingende, also Kampfeinsätze) als mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten.

Vorausgegangen waren Klagen der SPD und der FDP wegen der AWACS-Einsätze in der Adria und wegen des Bundeswehreinsatzes in Somalia. Das BVerfG stellte damals fest, daß Bundeswehrauslandseinsätze dann verfassungskonform seien und nicht dem Artikel 26 des deutschen Grundgesetzes widersprächen, wenn erstens Deutschland im Rahmen eines Systems "kollektiver Sicherheit" (worunter das BVerfG fälschlicherweise auch die NATO zählt) handelt und wenn der Bundestag mit einfacher Mehrheit darüber entschieden hat.

Die Klage der LINKEN zielte diesmal vor allem darauf ab, gerichtlich zu überprüfen, ob der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan unter Führung der NATO nicht eine Überschreitung der Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag darstelle. Im NATO-Vertrag, der seinerzeit von der Bundesrepublik als völkerrechtlich bindender Vertrag ratifiziert wurde, ist der Radius des Militärbündnisses und seiner Staaten genau festgelegt, nämlich auf "das Gebiet eines dieser Staaten in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements Frankreichs, auf das Gebiet der Türkei oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses" (Artikel 6).

Afghanistan liegt erkennbar außerhalb dieser Grenzen, also "out of area". Zum anderen definiert sich die NATO nach der Präambel und nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags eindeutig als Verteidigungsbündnis. Bis auf die abstruse Konstruktion des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers, wonach Deutschland auch am Hindukusch verteidigt würde, kommt kein vernünftig denkender Mensch auf die Idee, der Krieg in Afghanistan habe mit der Verteidigung Deutschlands oder der NATO zu tun. Offenbar ließ sich auch das oberste deutsche Gericht nicht von Vernunftgründen leiten, als es heute feststellte, der von der NATO geführte Einsatz der ISAF-Truppen diene der Sicherheit des euro-atlantischen Raums und überschreite deshalb nicht den NATO-Vertrag.

Geographie scheint nicht die Stärke der Juristen zu sein. Leider haben die Verfassungshüter bei ihrem Urteil aber auch das Recht außer Acht gelassen. Es ist noch einmal daran zu erinnern, daß nach dem Grundgesetz die Bundeswehr allein zum Zwecke der Verteidigung gegründet wurde. In Artikel 87a heißt es: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf." Und Artikel 26 verbietet Angriffskriege: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

Selbst wenn man der Argumentation des BVerfG folgen wollte, ergibt das Urteil keinen Sinn. Der Tornado-Einsatz ist Bestandteil von ISAF. ISAF ist aber ein Einsatz zur Stärkung der Regierung in Kabul und zur Unterstützung des Wiederaufbaus des weitgehend zerstörten Landes. Von "Sicherheit des euro-atlantischen Raums" kann bei diesem Mandat keine Rede sein. Hierzu wäre allenfalls über den Umweg des Krieges gegen den Terror die von den USA geführte "Operation Enduring Freedom" (OEF) geeignet (wenn man der irrigen Auffassung wäre, der sogenannte "Krieg gegen den Terror" würde die Grenzen der NATO sicherer machen). Das Urteil müßte sich also eher auf OEF beziehen, keinesfalls aber auf ISAF.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag ist von dem Urteil des BVerfG nicht überrascht. Rechtsfragen werden nicht selten auch als politische Fragen behandelt. Und der Konsens unter den etablierten Parteien, die Bundeswehr und die NATO zu weltweit einsetzbaren Interventionsstreitkräften beziehungsweise -bündnissen auszubauen, wird auch von den obersten Verfassungshütern geteilt. Umso mehr stellt sich für die Friedensbewegung die Aufgabe, den Afghanistaneinsatz (ISAF, Tornado und Enduring Freedom, alles drei unter dem Kommando der NATO) politisch zu bekämpfen. Die Bevölkerung ist für die Beendigung des Einsatzes - und ist damit den Abgeordneten der etablierten Parteien um Längen voraus.

Die Friedensbewegung wird ihre Kampagne "Bundeswehr raus aus Afghanistan" verstärken und mit der Rückendeckung der Bevölkerungsmehrheit im Herbst nach Berlin (Demonstration am 15. September) und in den Bundestag tragen.





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