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Freie Gedanken und Denkverbote

Wolfgang Sch.: Glück im Spiel, aber kein Zeitgefühl

11.07.2007  






Auf den ersten Blick scheint es, die Äußerungen des deutschen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble hätten zu starkem Aufruhr geführt. Dies trifft auf alternative Medien sicherlich zu, auf die Politik selbst aber keineswegs.

So schwanken die Reaktionen auf seine "Überlegungen" - darunter auch die Wiedereinführung der Todesstrafe, allerdings ohne Hemmnisse wie einen Richterspruch - zwischen blanker Zustimmung, Abwiegeln und vereinzelten Rücktrittsforderungen. Diese wurden seitens der Linken - was kaum verwundern kann - und der Grünen - was angesichts der "erfolgreichen" Zusammenarbeit mit Schäubles Vorgänger Otto Schily in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder allerdings sehr wohl verwundern muß, Stand Schily Schäuble doch in fast nichts nach und kann mit Fug und Recht als dessen Wegbereiter bezeichnet werden.

Auch der frühere deutsche Bundesverteidigungsminister Peter Struck äußerte sich gegenüber der Frankfurter Rundschau letztlich äußerst zurückhaltend, auch wenn der Titel Struck über Schäuble - "Er ist ein Überzeugungstäter" ganz anderes vermuten läßt. Tatsächlich bezog er sich mit dieser Aussage allerdings allein auf den von Schäuble im klaren Widerspruch zum deutschen Grundgesetz vehement vorangetriebenen Einsatz der Bundeswehr im Innern. Hinsichtlich Schäubles gegenüber dem Spiegel geäußerten Forderungen sagte Struck nur, ein Verbot der Nutzung von Mobiltelephonen sei "nur in einem Überwachungsstaat" durchsetzbar. Daß die mutwillige Ermordung "Verdächtiger" nur in einer Diktatur möglich wäre, hielt er hingegen offenbar nicht für erwähnenswert.

Zumindest etwas deutlicher wurde der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle. Eine "Erschießung auf Verdacht" - wobei angesichts von Schäubles Bundeswehr-Träumen durchaus anzunehmen ist, daß hierbei nicht nur Schußwaffen zum Einsatz kämen - sei "mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar", so Westerwelle. "Das ist keine Politik, die auf dem Boden der Verfassung steht."

Am anderen Ende des Spektrums befinden sich mehrere hochrangige Politiker der CDU/CSU, allen voran der "CSU-Rechtsexperte" - es erscheint angesichts seiner Äußerungen zumindest fraglich, ob dieser Titel von Recht oder rechts abgeleitet wird - Norbert Geis. In einem Interview forderte er gegenüber DeutschlandRadio offen eine "Diskussion" über das "gezielte Töten von Terrorverdächtigen", sagte aber außerdem "ich bin natürlich dafür, daß wir einen potenziellen Aggressor, einen Terroristen, der unser Land bedroht, daß wir den natürlich liquidieren können müssen". Geis geht also noch über Schäubles Standpunkt hinaus und hält es für selbstverständlich, für die staatliche Ermordung Verdächtiger zu sein.

Etwas zurückhaltender, aber doch kaum weniger unmißverständlich äußerten sich die Ministerpräsidenten dreier Bundesländer - allesamt CDU-Mitglieder.

So forderte der hessische Ministerpräsident Roland Koch die SPD auf, Schäubles "Vorschläge mitzutragen". Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlands wiederum sagte, es sei angesichts der "akuten Bedrohung" Deutschlands durch Terrorismus wichtig, "über Reaktionen nachzudenken". Auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger ist dieser Ansicht und meinte, "unter Umständen" müsse das Grundgesetz "ergänzt" werden - ergänzt um einen Passus, der es in seinen Grundfesten ad absurdum führen würde.

War schon die Reaktion des stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, zumindest vorsichtig, als er sagte, daß eine von Schäuble geforderte Tötung "mehr als problematisch" sei, so war der Kommentar der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Schäubles Vorstoß sicherlich bemerkenswert. Seine Worte seien zwar nicht "mit der Bundeskanzlerin abgestimmt" gewesen, so der Regierungssprecher Thomas Steg, man habe aber keinerlei Zweifel daran, daß Schäuble "kein leichtfertiger Mensch" sei, sondern "seine Worte mit Bedacht wählt". Tatsächlich ist das genau das, was von all jenen, die ihn das Fundament einer Diktatur gleich zusammen mit dem ersten Stock errichten sehen, befürchtet wird.

Nach Ansicht Merkels dürfe es "weder Denkblockaden noch Denkverbote geben", so Steg. Man müsse bei der Bekämpfung von Terrorismus zwischen "kurzfristigen Projekten" und "langfristigen Überlegungen" wie jenen Schäubles unterscheiden. Diese müßten nun auf fachministerieller Ebene auf ihre Eignung geprüft werden.

Offener wurde in der Vergangenheit selten auf ein Prinzip der Regierungspolitik hingewiesen, das seit Jahrzehnten höchst erfolgreich angewandt wird. Wenn klar ist, daß Pläne am geballten Widerstand der Bevölkerung scheitern würden, so tritt ein Politiker vor und stellt noch weit hierüber hinausgehende Forderungen. Diese werden dann selbstverständlich von der Mehrzahl der Politiker lautstark abgelehnt, einige finden aber zumindest "einiges gutes" daran. Nachdem dann erfolgreich "darüber gesprochen" wurde, werden letztlich einige "Ansätze" der Forderung umgesetzt - sie war ja nicht "grundlegend falsch". In absehbarer, aber nicht zu kurzer Zeit - die erste Runde muß ja zumindest halbwegs in Vergessenheit geraten sein - wird dann eine neuerliche Forderung, dieses Mal natürlich noch weitreichender, aufgestellt und das Spiel beginnt von neuem. Nach einigen Runden dieses Spiels ist dann relativ problemlos das ursprünglich anvisierte Ziel erreicht und es wird ein neues gesetzt.

Schäubles Problem hierbei ist, daß seine immer neuen "Vorschläge" in derart schneller Folge kommen, daß sie nicht einmal umgesetzt, geschweige denn die vorhergehenden in Vergessenheit geraten können. Daß er mit seinen Forderungen ganz offen Forderungen stellt, die ein ölreiches Land einer "Befreiung" durch die USA einen deutlichen Schritt näherbringen könnten, sind sie doch überdeutliche Indizien für einen gesetzlosen und faschistischen Staat, mag ungeübten Beobachtern weitaus schwerwiegender erscheinen. Schäubles Glück ist aber, daß er nicht nur Mitglied der Bundesregierung ist, sondern seine "Vorschläge" offenbar Teil des genannten Spiels sind.

Besonders perfide ist es dabei zweifellos, wenn ausgerechnet Angela Merkel fordert, es dürfe keine "Denkverbote" geben. Nicht nur, daß Schäubles anvisiertes Modell der "Verschwörung" genau dies in ein strafrechtlich verwertbares Gerüst gießen würde, es ist nur zu offensichtlich, was geschähe, würde auch die "Gegenseite" öffentlich ohne jegliche "Denkverbote" frei über die "Rettung der deutschen Demokratie" nachdenken, beispielsweise unter Hinweis auf Artikel 20, Absatz 4 des deutschen Grundgesetzes: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."





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