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"Du fühlst, daß du das Gesetz bist"

Israelische Soldaten sprechen über ihre Verbrechen an Palästinensern

23.10.2007  






Bereits am 5. Oktober veröffentlichte die israelische Haaretz die - wenn auch unvollständige - englische Übersetzung eines zuvor auf Hebräisch erschienenen Artikels, in dem israelische Soldaten offen über ihre Verbrechen an Palästinensern berichten.

Noufar Yishai-Karin, heute klinische Psychologin, war selbst Mitglied jener Einheit, der die von ihr befragten 21 Soldaten angehörten, weshalb diese offenbar ausreichend Vertrauen zu ihr hatten, um offen mit ihr zu sprechen. Sie beschränkte sich in ihrer Studie auf die Zeit der ersten Intifada Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Viele der Befragten haben mittlerweile sogar Israel verlassen. Insgesamt untersuchte Yishai-Karin sieben Jahre lang die Gründe, die zu den zahlreichen Verbrechen gegen Palästinenser führten. Diese Untersuchungen mündeten schließlich in ihrer Studie, die ihre Diplomarbeit war. Hieraus entwickelte sie dann gemeinsam mit ihrem Professor Yoel Elizur den Artikel.

Die ihr gegenüber freimütig geschilderten und in dem Artikel zitierten Verbrechen sind an Brutalität und Menschenverachtung nur schwer zu übertreffen.

Etwa ein Jahr, nachdem sie im Jahr 1989 zum Militärdienst eingezogen worden war, bemühte sie sich um eine Versetzung zu einer kämpfenden Einheit. 15 Monate war sie daraufhin bei der Kompanie Ashbal stationiert und lebte in einer Basis im Süden des Gaza-Streifens. Dort wurde sie zur psychologischen Betreuung der Soldaten eingesetzt. Schon kurz nach ihrer Ankunft erlebte sie ein Beispiel für den Umgang der Soldaten mit Palästinensern.

"Nachdem sie Duschen mit einem Heißwasserbereiter aufgestellt hatten, so daß wir die ganze Zeit über heißes Wasser hatten ... wurde die Dusche mit dem Durchlauferhitzer aufgegeben und die Leute beschlossen, daß es eine Gefängniszelle sein sollte. Wir brachten einen Typ dorthin und vergaßen ihn für drei Tage ... Er war gefesselt und hatte ein Stück Stoff über dem Mund und konnte nicht sprechen, sich nicht bewegen, gar nichts tun. Nach drei Tagen kam jemand, ich weiß nicht mehr wer, vorbei und erinnerte sich", erzählte ein Soldat Yishai-Karin.

"Ich ging auf meine erste Patrouille ... Andere auf der Patrouille schossen einfach wie Verrückte --- Ich begann dann, wie all die anderen zu schießen ... Es war ...nunja, ich will nicht behaupten, daß es nicht cool gewesen sei, weil zum ersten Mal kommt man und hält die Waffe ernsthaft, man ist nicht in irgendeiner Übung oder in einem Unterstand in den Dünen oder was weiß ich sonst oder man hat einen Kommandeur, der einem auf dem Schießstand über die Schulter sieht. Plötzlich ist man verantwortlich, für was man tut. Man nimmt die Waffe. Man schießt. Man tut, was man will", sagte ein anderer.

"Früher oder später während ihrer Dienstzeit genoß es die Mehrzahl der Befragten, Gewalt auszuüben", so Yishai-Karin in ihrer Studie. "Sie genossen die Gewalt, weil sie die tägliche Routine durchbroch und ihnen gefiel die Zerstörung und das Chaos. Sie genossen auch das Machtgefühl durch die Gewalt und das Gefühl der Gefahr."

Eine These, die ganz offensichtlich durch eine andere Aussage eines damaligen Soldaten bestätigt wurde. "Die Wahrheit? Wenn es Chaos und so gibt, gefällt mir das. Dann genieße ich es. Es ist wie eine Droge. Wenn ich nicht innerhalb von einigen Wochen nach Rafah gehe und es dort nicht irgendeinen Aufstand gibt, dann drehe ich durch", sagte er.

"Das wichtigste ist, daß es die Last des Gesetzes von einem nimmt. Du hast das Gefühl, du bist das Gesetz. Du bist das Gesetz. Du bist derjenige, der entscheidet ... Als wenn du von dem Zeitpunkt, wo du den Erez Israel genannten Ort verläßt und den Erez-Kontrollposten in den Gaza-Streifen hinein durchquerst, das Gesetz bist. Du bist Gott", so ein anderer.

Trotz dieser äußerst klaren Aussagen ist es doch erschreckend, wie gleichmütig die früheren Soldaten von schwersten Verbrechen berichten - anscheinend, ohne auch nur ein Gefühl der Reue entwickelt zu haben.

"Wir waren in einem Waffenträger als dieser Typ, etwa 25, auf der Straße vorbeikam und einfach so - ohne Grund, er warf keinen Stein, tat gar nichts - Bumm! eine Kugel in den Bauch, er schoß ihm in den Bauch und der Typ stirbt auf dem Bürgersteig und wir fahren weiter, teilnahmslos. Niemand hat sich nach ihm umgedreht", berichtete einer der Befragten.

"Ein drei Jahre altes Kind, er kann nicht werfen, er kann einen nicht verletzten, egal was er tut, aber ein Kind mit 19 kann es. Mit Frauen habe ich kein Problem. Mit Frauen, eine warf einen Pantoffel nach mir und ich trat ihr hier hin [deutete auf den Unterleib], ich machte da alles kaputt. Sie kann keine Kinder haben. Nächstes Mal wird sie keine Pantoffeln nach mir werfen. Als eine von ihnen nach mir spuckte, gab ich ihr den Gewehrkolben ins Gesicht. Jetzt hat sie nichts mehr, mit dem sie spucken könnte", so ein anderer.

Ein anderer erinnerte sich an einen Vorfall, als er noch in der Grundausbildung war. Sie sollten eine Gruppe Verdächtiger begleiten. "Sie nahmen die Araber, die kommandierenden Offiziere taten das, und packten sie in den Bus zwischen die hintere Tür und der letzten Reihe, packten sie nur zwischen die Sitze. Auf ihren Knien. Dann sagten sie uns: Innerhalb von zwei Minuten - und das ist noch die Grundausbildung - innerhalb von zwei Minuten sind alle im Bus. Keiner tritt auf die Sitze ... Und alle begannen, auf sie [die Araber] zu trampen und auf sie in der Eile zu treten ... Es war wirklich ein harter Winter. Minus 4 Grad und Regen und Hagel ... Sie waren alle mitten in der Nacht herausgekommen ... Man hatte ihnen nicht die Zeit gegeben, sich anzuziehen. Einige von ihnen hatten Pantoffeln, kurzärmelige Hemden ... Alle öffneten absichtlich die Fenster. Leute gossen ihnen Wasser aus ihren Feldflaschen über, so daß sie durch die Kälte froren. Und die ganze Strecke wurden sie mit Schlägen bombardiert ... und ich meine die ganze Strecke."

Ein weiterer früherer Soldat berichtete von einer der ersten Hausdurchsuchungen, an denen er beteiligt war. Die Soldaten sollten einen Araber verhaften. "Ein absoluter Gigant, vielleicht um die 30. Randalierend. Wir schreien ihn an, er soll sich hinlegen, wir schlagen ihn, aber er legt sich nicht hin, er will flüchten ... Diese vier Typen kommen und werfen von allen Seiten Steine auf ihn und wir prügeln auf ihn ein ... Hinlegen! Hinlegen! Hinlegen! Bis er sich am Ende auf den Boden legt ... Wir kommen zur Kommandostelle der Kompanie und es stellt sich heraus, daß er bewußtlos ist ... und ein paar Tage später ist er tot."

"Nach zwei Monaten in Rafah kam ein neuer kommandierender Offizier an ... Also machten wir eine erste Patrouille mit ihm. Es ist 06:00 Uhr morgens, Rafah ist unter Ausgangssperre, es gibt nicht einmal einen Hund auf der Straße. Nur ein vier Jahre alter Junge, der im Sand spielte. Er baut eine Burg im Hof. Er [der Offizier] beginnt plötzlich zu laufen und wir alle laufen mit ihm. Er kam von den Pionieren. Wir alle laufen mit ihm. Er griff den Jungen. Noufar, ich bin degeneriert, wenn ich Dir nicht die Wahrheit sage. Er brach ihm die Hand hier am Handgelenk. Brach seine Hand am Handgelenk, brach ihm das Bein hier. Und begann, auf seinen Bauch zu treten, drei Mal, und ging. Wir sind alle da, uns fällt die Kinnlade herunter, wir sehen ihn schockiert an ... Am nächsten Tag gehe ich mit ihm auf eine andere Patrouille und die Soldaten beginnen bereits, das gleiche zu tun", so ein weiterer Befragter.

In einem anderen Fall prügelte ein Gruppenführer auf drei gefesselte Jugendliche ein. Ein Soldat brachte schließlich einen anderen Gruppenführer, einen Sanitäter dort hin. Als dieser dort ankam waren die Jungen bereits "völlig mit Blut bedeckt, ihre Kleidung war mit Blut vollgesogen und sie zitterten vor Angst. Ihre Hände waren gefesselt und sie hatten Angst, sich zu bewegen, sie waren auf ihren Knien." Der Soldat und der zweite Gruppenführer maßregelten den Gruppenführer daraufhin, wurden hierfür allerdings später selbst deshalb durch den Zugführer kritisiert. "Sie sollten wissen, daß was sie beide getan haben, sehr ernst ist", sagte er. "So mit ihm zu reden! Sie sollten wissen, daß sie dafür bestraft werden." Erst als der Vorfall schließlich an die Ohren des Divisionskommandeurs gelangte, wurde der brutale Gruppenführer zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Yishai-Karin kommt in ihrer Studie zu dem Schluß, daß es sich hierbei nur um Ausnahmefälle, verursacht insbesondere durch mangelnde Ausbildung und Führung der Soldaten gehandelt habe.

Tatsächlich sprechen die zahllosen Berichte seitens der palästinensischen Opfer allerdings eine ganz andere Sprache. Diese Berichte lassen nur den Schluß zu, daß das hier geschilderte Vorgehen israelischer Soldaten zum palästinensischen Alltag gehört. Bemerkenswert ist Yishai-Karins Studie aber doch, da es sich hier um Aussagen israelischer Soldaten handelt, denen kaum vorgeworfen werden kann, sich all jene Verbrechen nur ausgedacht zu haben, um Israel zu diskreditieren.





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