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"Sind sie schon tot?"

Verfahren gegen US-Soldaten wegen Mordes an Gefangenen

21.07.2008  






Bereits am Samstag der vergangenen Woche berichtete beispielsweise die Los Angeles Times über ein Verfahren gegen drei US-Soldaten wegen der Ermordung von vier unbewaffneten irakischen Gefangenen in der Stadt Fallujah im Jahr 2004.

Am 9. November 2004, am zweiten Tag des verheerenden, völkerrechtswidrigen und kriegsverbrecherischen zweiten Angriffs auf die irakische Stadt Fallujah, hatten die US-Soldaten Unteroffizier Ryan Weemer und Unteroffizier Jermaine Nelson – beide damals noch Stabsgefreite – unter Führung von Unteroffizier José L. Nazario in einem Haus vier irakische Männer gefangengenommen. Nach Darstellung der Soldaten hatten sie bei einer Durchsuchung des Hauses dort ein Versteck mit Schnellfeuergewehren des Typs AK-47 und Munition gefunden. Kurz darauf erschoß Nazario zwei der Gefangenen und die beiden anderen Soldaten jeweils einen. Weemer sagte gegenüber einem Untersuchungsbeamten aus, er habe einen der Gefangenen erschossen, nachdem dieser versucht habe, ihm seine Waffe zu entwenden. Dies widerspricht aber sowohl früheren Aussagen Weemers – die die Untersuchung erst auslösten – als auch Aussagen Nelsons.

Im Jahr 2006 hatte sich Weemer um eine Stelle beim US-Secret Service beworben. Bei einem Vorstellungsgespräch wurde ihm, während er an einen Lügendetektor angeschlossen war, die Frage gestellt, welches das schwerste von ihm bisher begangene Verbrechen gewesen sei. Daraufhin erzählte er, daß er im Irak einen Gefangenen erschossen hatte – ihm war also vollständig bewußt, daß es sich um ein Verbrechen und keineswegs um Notwehr gehandelt hatte. Auch eine Befragung Nelsons durch einen Beamten des Naval Criminal Investigative Service (NCIS, Kriminaldienst der US-Marine) zeigte, daß es sich um kaltblütige Morde handelte.

"Ich mach den ganzen Scheiß nicht alleine. Du machst einen und Weemer macht einen", erinnerte sich Nelson bei der Befragung an Nazarios Worte, nachdem dieser zwei der Gefangenen erschossen hatte. Nelson sagte, er habe gesehen, wie Nazario einen vor ihm knienden Gefangenen aus kürzester Entfernung erschossen hat. "Er traf den Typ in der Stirn, der Typ fiel um und da war Blut ... überall auf Nazarios Stiefeln", so Nelson. Auf Nazarios Aufforderung hin erschoß dann Weemer einen weiteren Gefangenen. "Er schoß auf ihn und der Typ wälzte sich am Boden und Weemer schoß, schoß, schoß, schoß, schoß." Schließlich erschoß Nelson den letzten lebenden Gefangenen. "Ich sagte Scheiße und erschoß meinen Typ", so Nelson bei der Befragung.

Tatsächlich war es allerdings offenbar keine spontane Eingebung Nazarios, die Gefangenen zu ermorden. Sowohl Nelson als auch Weemer haben ausgesagt, daß sich Nazario per Funk an seinen Zugführer gewandt hatte, um über die Gefangennahme der vier Iraker Meldung zu machen, woraufhin er zwei Mal gefragt worden sei, "Sind sie schon tot?" Es kann kaum verwundern, daß Nazario dies als eine Aufforderung verstanden hat, die Gefangenen zu töten. "Wir haben darüber diskutiert, aber wir mußten weiter, wir mußten raus, unsere Einheit bewegte sich die Straße hinunter. Ich erledigte einen Typ", sagte Weemer. "Wir machten keine Gefangenen", fügte er hinzu. "Wenn wir irgendjemanden gehen lassen, laufen sie die Straße runter und greifen sich ein Sturmgewehr, weil sie die versteckt hatten." Anschließend sagte er, es habe "viele Vorfälle" gegeben, in denen Iraker auf diese Art getötet worden sind.

Angesichts der Tatsache, daß US-Oberst Michael Shupp unmittelbar vor Beginn des Angriffs auf Fallujah die Soldaten aufforderte, sich ergebende Iraker zu erschießen, kann an diesem Teil von Weemers Aussage kaum Zweifel herrschen. "Wenn jemand sich mit erhobenen Händen ergibt und auf Euch zukommt, was werden ihr dann machen? Schießt auf ihn", hatte Shupp damals gesagt. Er begründete dies mit der "Gefahr durch Selbstmordbomber". Dies ist exakt die gleiche zugrundeliegende Logik, mit der Weemer die Ermordung der Gefangenen begründete. Weder gegen Nazarios Zugführer noch gegen Oberst Shupp ist bisher ein Verfahren eröffnet oder – soweit bekannt – auch nur ermittelt worden, obgleich es sich hier um Aufforderungen zu schwersten Kriegsverbrechen handelte.





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