Es war Ende Juni und die sengende Hitze des Sommers hatte begonnen, als ich endlich, nach Wochen des Suchens, fand, wonach ich gesucht hatte. Mehrere Tage lang traf ich eine Gruppe außergewöhnlicher Iraker, die - ohne Wut, Angst oder Haß - angefangen hatten, eine strahlende Zukunft des Iraks zu gestalten. Der erste war ein Shiite, den baathistische Verbrecher im März 1991 versucht hatten, in einem Massengrab zu exekutieren. Wie durch ein Wunder konnte er fliehen und kroch in die Freiheit. Er arbeitete nun mit einer Handvoll von Menschenrechtsanwälten in der Stadt Hilla, wo sie Beweise sammelten, um die für die Ermordungen Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Sie waren ruhig, wo andere rachsüchtig wären, engagiert, wo andere vor der Größe der vor ihnen liegenden Aufgabe zurückgescheut wären. Wochenlang hatte ich berichtet über endlose Plünderungen, Ermordungen, Verrate, gebrochene Versprechen und tragische Mißverständnisse, die groteske Ausstattung einer modernen militärischen Besatzung. Nichts, was ich sonst im Irak nach Amerikas Krieg gesehen hatte, zeigte mir so viel Hoffnung, wie diese Männer und ihre Aussicht auf eine durchdachte, moralische Abrechnung, die ihr Land von dem Erbe einer drei Jahrzehnte andauernden Diktatur in eine bessere Zukunft bringen würde. Ich ging mit dem Glauben, daß es entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch noch eine Chance gab, daß der Irak erfolgreich sein würde. Fast zwei Monate später bin ich in den Irak zurückgekehrt und es hat sich so viel verändert. Eine Welle von Wut und Hoffnungslosigkeit bei den Irakern hat die wenigen Stimmen, die mich mit Hoffnung erfüllt hatten, ertränkt. Diejenigen meiner irakischen Freunde, die entschieden an ihren optimistischen Träumen festhielten, verlieren schließlich den Mut. Sie zucken mit den Schultern und beginnen, die unerbittlichen Fehlschläge des neuen Iraks aufzuzählen. Es ist nicht, daß die Stromversorgung sich nicht verbessert hat. Sie hat sich verschlechtert. Vier Monate, nachdem die Bildschirme auf der ganzen Welt den siegreichen Sturz der Statue von Saddam Hussein auf dem Firdous Platz zeigten, sind Stromausfälle häufiger, nicht seltener. In vielen Wohnungen in Baghdad ist das Wasser, das aus den Hähnen fließt, brackig und nicht trinkbar. Wasseraufbereitungsanlagen, knapp an Strom und vergiftet durch ihre rostenden Leitungen, versagen. Wie kann ein Land, fragen die Iraker, das 9 Milliarden US-Dollar pro Monat für den Krieg gegen Saddam Hussein ausgegeben hat, die Stromversorgung einer Stadt nicht innerhalb von vier Monaten wiederherstellen? Als ich im Juni hier war, hörte ich Paul Bremer, den amerikanischen Verwalter des Iraks, darauf bestehen, daß mehr Strom zur Verfügung stand als unter Saddam. Die Iraker spotteten über seine Übertreibung. Wenn amerikanische Beamte jetzt versprechen, daß die Vorkriegsversorgung zum Ende des nächsten Monats wiederhergestellt sein wird, glaube ich ihnen. Vor zwei Monaten kamen eifrige Helfer in Scharen, füllten leere Hotelzimmer und begannen mit dutzenden überfälligen Projekten. Nach dem Bombenanschlag auf das UN-Hauptquartier im Osten Baghdads letzte Woche beeilen sich die selben jungen Leute, abzureisen. Viele UN-Angestellte, einige von ihnen schwer traumatisiert von dem, was sie erlitten haben, sind schon weg. Am Wochenende hat das Rote Kreuz, mit dem Ruf die gefährlichsten Bedingungen, von Afghanistan bis Tschetschenien, zu erdulden, angekündigt, seine Belegschaft drastisch zu reduzieren. Oxfam hat sich ebenfalls zurückgezogen. Wer sollte die wenig beneidenswerte Entscheidung treffen, zu bleiben und die Arbeit, die so verzweifelt gebraucht wird, zu beenden, wenn das Risiko so hoch ist? Das US-Militär litt als erstes unter dem wachsenden Sicherheitsalptraum. Erstmal zögerte die Army zuzugeben, wie häufig sie angegriffen wurden. Offiziere sprechen jetzt von über einem Dutzend Vorfällen pro Tag. Britische Soldaten im shiitischen Süden, von dem zuerst angenommen worden war, daß er der Besatzung weniger feindlich gegenüberstehen würde, sind nun genauso Ziele wie ihre amerikanischen Verbündeten. Mehrere Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind getötet oder ihres Autos mit vorgehaltener Waffe beraubt worden. Britische Diplomaten, die früher stolz davon erzählten, von den grünen Rasenflächen ihrer alten Botschaft mit ihrem wundervollen Blick über das Ufer des Tigris aus zu arbeiten, wurden gezwungen, sich in die "Sicherheitszone" zurückzuziehen, einen ausgedehnt und schwer bewachten Komplex, versteckt hinter Reihen von Stacheldraht und Betonblöcken, zu dem Saddams früherer Republikanischer Palast, ein Kongreßzentrum und das Rashid Hotel, früher berühmt für ein Mosaik in der Eingangshalle, das einen grinsenden George Bush senior über den Worten "Bush ist ein Krimineller" zeigte, gehören. Jetzt scheinen die US-Patrouillen in vielen der besonders unruhigen Gegenden Baghdads auffallend reduziert worden zu seien. Früher rollten Konvois von Humvees die Hauptstraße von Karrada entlang, vorbei an dutzenden von Geschäften, die billige Kühlschränke, Klimaanlagen und Fernseher anboten. Soldaten hielten an, um in einem der überfüllten Restaurant zu essen, aber jetzt nicht mehr. Besser, die Patrouillen zu reduzieren als Männer zu verlieren, haben die Kommandeure entschieden. Die Sicherheit außerhalb von US-Militärbasen ist strenger und paranoider als je zuvor. Ein Schild neben einem Rekrutierungsbüro für die neue irakische Armee warnt die Leute, in der Nähe des Eingangs nicht anzuhalten, stehenzubleiben oder zu parken. Der Hinweis wird offen gegeben: "Zuwiderhandler setzen sich tödlicher Gewalt aus." Beamte, die für die Provisorische Regierung der Koalition, die zivile Verwaltung, die sich in Saddams Palast niedergelassen hat, arbeiten, gingen hinaus um Iraker in der Stadt zu treffen oder mit Journalisten an einem Hotelpool zu plaudern. Jetzt wurde den Beamten gesagt, daß sie ihre "Sicherheitszone" nicht ohne mehrere Leibwächter und mindestens zwei gepanzerte Fahrzeuge verlassen sollen. Nur wenige denken überhaupt daran. Es gibt, das sollte erwähnt werden, Fortschritte. Internationale Flüge werden wieder aufgenommen. Internetcafes tauchen überall auf. Viele Ladenbesitzer und eine Handvoll großer irakischer Geschäftsleute profitieren von der neuen Handelsfreiheit. Einige der Telephonnetzwerke, die im Krieg zerstört worden sind, funktionieren wieder. Alte Hinweisschilder sind durch frisch gemalte ersetzt worden. Mehr irakische Polizisten sind auf den Straßen und leiten den Verkehr oder stehen an vielbefahrenen Kreuzungen. Andererseits, obwohl Kriminalitätsraten immer schwierig zu beurteilen sind, nennen Iraker den Mangel an Sicherheit immer noch als ihre größte Angst. Reichere Familien haben begonnen, bewaffnete Leibwächter außerhalb ihrer Villen anzustellen. In Hilla arbeiten die Menschenrechtsanwälte noch immer methodisch an den Fällen. Ich bin froh zu sehen, daß einer der jungen Anwälte, die ich im Juni getroffen habe, mit einem Sitz in dem 25-köpfigen Regierungsrat belohnt worden ist, der Gruppe von Irakern, die beginnen sollen, die Regierungsarbeit zu übernehmen. Allerdings ist es unglaublich traurig, daß sechs Wochen, nachdem die Ratsmitglieder ihre Arbeit aufgenommen haben, Meinungsverschiedenheiten und persönliche Rivalitäten dazu geführt haben, daß sie bisher praktisch nichts erreicht haben. Der Irak ist noch nicht verloren: es ist nur so, daß Optimisten immer schwieriger zu finden sind. Impressum und Datenschutz contact: EMail |