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"Wir sind nicht die Mafia"
04.12.2003









Bisher hatte sich die Gruppe israelischer Piloten, abgesehen von ihrem offenen Brief an den israelischen Premierminister Ariel Sharon, in dem sie sich weigerten, weiter Angriffe auszuführen, bei denen der Tod von Zivilisten mindestens billigend in Kauf genommen wird, öffentlich nicht geäußert.

Nachdem die Unterzeichner des Briefes - soweit sie noch im aktiven Dienst waren - aus dem Militär entlassen worden sind, sehen sie offenbar keinen Grund mehr für eine derartige Zurückhaltung. Mehrere von ihnen sprachen in einem am Mittwoch im britischen Guardian veröffentlichten Interview offen über ihre Motivationen und Gedanken.

"Ich habe über sieben Jahre als Pilot gedient", sagte Hauptmann Alon R., der nicht seinen vollen Namen nennen wollte, da er noch immer hofft, wieder fliegen zu dürfen. Daß die zuordnung der Aussagen zu den entsprechenden Personen angesichts der geringen Anzahl von Betroffenen ein Leichtes ist, ist ihm wie auch den anderen Piloten dabei offenbar nicht klar.

"Am Anfang waren wir Piloten, die glaubten, unser Land würde alles tun, was es konnte, um Frieden zu erreichen. Wir glaubten an die Reinheit unserer Waffen und daß wir alles taten, was wir konnten, um den unnötigen Verlust unschuldigen Lebens zu verhindern. Irgendwann in den letzten paar Jahren ist es immer schwieriger geworden, zu glauben, daß dem so ist."

Für die meisten Piloten war das entscheidende Erlebnis der Abwurf einer 1.000 Kilogramm-Bombe auf das Haus von Salah Shehade, einem militärischen Anführer der Hamas. Bei der Explosion wurden außer ihm 14 Mitglieder seiner Familie, die meisten davon Kinder, getötet.

Ein Hauptmann bezeichnete die Bombardierung als absichtliche Tötung und sogar Mord. Ein weiterer nannte es Staatsterrorismus.

"Der Shehade-Vorfall war für uns ein Stop-Zeichen, eine letzte Warnung", so Alon R. "Durch Shehade begann ich meine Überzeugungen zu überdenken. Wir töteten 14 unschuldige Menschen, 9 von ihnen Kinder. Danach gab mein Kommandeur ein Interview, in dem er sagte, er schliefe gut und seine Männer könnten dies auch tun. Nun, ich kann es nicht. Wir lehnten es ab, es als einen unschuldigen Fehler zu betrachten."

Hauptmann Assaf L., der aufgrund der Unterzeichnung des Briefes nach 15 Jahren Dienstzeit entlassen worden ist, denkt ebenso.

"Man braucht kein Genie sein, um zu wissen, daß die von einer ein-Tonnen-Bombe verursachten Zerstörungen massiv sind, also hat jemand da oben die Entscheidung getroffen, sie abzuwerfen, wohlwissend, daß sie Gebäude zerstören würde", sagte er. "Jemand hat die Entscheidung getroffen, unschuldige Menschen zu töten. Da sind wir die Terroristen. Das ist Vergeltung."

Oberstleutnant Avner Raanan gehört ebenfalls zu den Unterzeichnern des Briefs. Er war 27 Jahre lang Mitglied der israelischen Armee und hat 1994 eine der höchsten militärischen Auszeichnungen Israels erhalten.

"Wenn man sich die letzten drei Jahre ansieht, sieht man, daß, wenn es einen Selbstmordanschlag gab, die israelische Luftwaffe eine große Operation startete, bei der Zivilisten getötet wurden und das sieht für unvoreingenommene Augen nach Rache aus", sagte er. "Man hört es in den Straßen Israels, die Menschen wollen Rache. Aber wir sollten uns nicht so benehmen. Wir sind nicht die Mafia."

"Aufgrund des Terrorismus sind wir durch das Blut auf unseren Gesichtern geblendet worden. Wir sind nicht in der Lage zu sehen, daß auf der anderen Seite, neben den Terroristen, eine ganze Nation unschuldiger Menschen ist. Es ist wichtig, daß wir das erkennen und daß wir das, als Angehörige des Militärs, sagen", so Alon R.

"Die Politik unserer Regierung ist es, die Angst in der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten", sagte Assaf L. "Wir sind nicht schwach. Das ist nicht 1967 oder 1973, als die syrische Armee an der Grenze wartete, um uns anzugreifen. Das ist die Fortführung eines Krieges um die Besetzung fortzusetzen."

Der häufig geäußerte Vorwurf gegenüber den Piloten, sie würden sich in die Politik einmischen, statt ihre Befehle zu befolgen, wird von diesen zurückgewiesen.

"Der Kommandeur der Luftwaffe sprach sich für die Siedlungen aus. während er bei einer Tagung der Likud-Partei in seiner Uniform neben Sharon saß", so Raanan. "Das ist politisch. Dieses Land hat einen Verteidigungsminister, der, als Stabschef der Armee, der bisher politischte von allen war. Es ist scheinheilig zu sagen, niedrigerrangige Offizieredürften ihre Meinung nicht äußern. Was sie meinen ist, wir dürfen so lange politisch sein, wie wir der Regierung zustimmen. Nun, das ist nicht demokratisch."

Die Piloten sehen die Anschläge als eine Folge der Besetzung der palästinensischen Gebiete an.

"Wir sind keine Pazifisten. Wir glauben nicht, daß wir uns zurücklehnen und uns von den Selbstmordattentätern angreifen lassen sollten. Aber all das ist ein direktes Ergebnis unserer Anwesenheit in den [besetzten] Gebieten", sagte Hauptmann Jonathon S. "Unser Kampf, die Siedlungen zu erhalten und das palästinensische Volk zu unterdrücken, bringt uns um. Er bringt unser Recht um, sicher im Land Israel zu leben. Eine sehr kleine Gruppe radikaler Israelis führt die vernünftige Mehrheit in die Katastrophe."





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