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R. Fisk: Die ekelhafte Wahrheit über "Camp Cropper"
23.07.2003


Robert Fisk http://news.independent.co.uk/world/fisk/story.jsp?story=426520







"Quellen" ist vielleicht momentan im Journalismus ein zweifelhaftes Wort, aber die Quellen für die Schläge im Irak sind tadellos. Dieser Artikel berichtet auch über die Erschießung dreier Gefangener in Baghdad, zwei von ihnen "während sie versuchten zu flüchten". Aber vor allem geht es um Qais Mohamed al-Salman. Qais al-Salman ist genau die Art von Kerl, die der US-Botschafter Paul Bremer und seine Sackgassen-Assistenten jetzt brauchen. Er haßte Saddam, floh 1976 aus dem Irak, kam dann nach der "Befreiung" mit dem Kopf und einer Aktentasche voller Pläne zurück, um beim Wiederaufbau der Infrastruktur und der Wasserfilteranlagen des Landes zu helfen.

Er ist ein Ingenieur, der in Afrika, Asien und Europa gearbeitet hat. Er ist dänischer Staatsbürger. Er spricht gut englisch. Er mag sogar Amerika. Er tat es jedenfalls bis zum 6. Juni diesen Jahres.

An dem Tag fuhr er auf der Abu Nawas Straße, als sein Auto von Amerikanern beschossen wurde. Er sagt, er hat keinen Kontrollpunkt gesehen. Kugeln trafen seine Reifen und sein Fahrer und ein weiterer Mitfahrender rannten um ihr Leben. Qais al-Salman stand kleinlaut neben dem Fahrzeug. Er hatte seinen dänischen Ausweis, seinen dänischen Führerschein und medizinische Berichte dabei.

Aber er soll die Geschichte selbst erzählen. "Ein mit amerikanischen Soldaten besetztes Zivilfahrzeug fuhr heran. Dann mehr Soldaten in Militärfahrzeugen. Ich sagte ihnen, daß ich nicht verstand, was passiert war, daß ich ein Wissenschaftler war. Aber sie zwangen mich, mich auf die Straße zu legen, fesselten meine Hände mit Plastik- und Stahlhandschellen auf meinen Rücken und fesselten meine Füße und brachten mich in eines ihrer Fahrzeuge."

Der nächste Teil der Geschichte hat auch Auswirkungen auf unsere Berufe als Journalisten. "Nach 10 Minuten in dem Fahrzeug wurde ich wieder herausgeholt. Da waren Journalisten mit Kameras. Die Amerikaner nahmen mir die Fesseln ab, dann zwangen sie mich wieder, mich auf die Straße zu legen. Dann, vor den Kameras, fesselten sie meine Hände und meine Füße aufs neue und brachten mich wieder in das Fahrzeug."

Wenn die an gewöhnlichen Irakern begangenen schwerwiegenden Ungerechtigkeiten und die ebenso schwerwiegenden Mißhandlungen in den amerikanischen Gefangenenlagern hier nicht so häufig wären, wäre Qais al-Salmans Geschichte nicht so wichtig.

Amnesty International kam gestern nach Baghdad, um neben Saddams ungeheuerlichen Verbrechen auch das Massengefangenenlager am Flughafen Baghdads, wo bis zu 2.000 Gefangene in heißen. ungelüfteten Zelten leben, zu untersuchen. Das Behelfsgefängnis wird "Camp Cropper" genannt und es gab bereits zwei Fluchtversuche.

Beide versuchten Flüchtlinge wurden, ohne daß dies wirklich erwähnenswert wäre, von ihren amerikanischen Wächtern erschossen. Gestern wurde es Amnesty International untersagt, Camp Cropper zu betreten. Hier wurde Qais al-Salman von den Amerikanern am 6. Juni hergebracht.

Er wurde in Zelt B gesteckt, einen großen Raum aus Leinen, in dem bis zu 130 Gefangene waren. "Es gab hier unterschiedliche Klassen von Leuten", sagt Qais al-Salman. "Es gab kultivierte Leute, Doktoren und Universitäts-Leute, und es gab die dreckigsten, tierartigsten Leute, Diebe und Kriminelle, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe.

Am Morgen wurde ich zur Befragung zu einem amerikanischen Offizier des Militärgeheimdienstes gebracht. Ich zeigte ihm Briefe, die belegten, daß ich bei US-Hilfsprojekten mitgearbeitet hatte. Er brachte eine Kennung an meinem Hemd an. Auf ihm stand ‚verdächtigter Attentäter'".

Nun, es gibt vermutlich einige Attentäter in Camp Cropper. Die Guten, die Bösen und die Abstossenden sind hier eingekerkert worden: alte Baathisten, mögliche irakische Folterer, Plünderer und so ziemlich jeder, der dem amerikanischen Militär in den Weg gekommen ist. Nur "ausgewählte" Gefangene werden bei den Verhören geschlagen. Ich wiederhole nochmal, die Quelle ist tadellos und westlich.

Qais al-Salman wurde kein Wasser gegeben, um sich zu waschen und nachdem er versucht hatte, seine Unschuld einem zweiten Vernehmungsbeamten zu erklären ging er in den Hungerstreik. Keine formalen Anklagen wurden gegen ihn erhoben. Es gab keine Regeln für die amerikanischen Gefängnisaufseher.

"Einige Soldaten fuhren mich nach 33 Tagen in dem Lager zurück nach Baghdad", sagt Qais al-Salman. "Sie setzten mich in der Rashid Street ab und gaben mir meine Dokumente und meinen dänischen Ausweis zurück und sagten ‚Entschuldigung'".

Qais al-Salman ging zurück zu seiner gramgebeugten Mutter, die lange geglaubt hatte, daß ihr Sohn tot war. Kein Amerikaner hatte mit ihr Kontakt aufgenommen obwohl sie die US-Behörden verzweifelt um Hilfe gebeten hatte. Nicht einer der Amerikaner hatte es für nötig gehalten, die dänische Regierung davon zu informieren, daß sie einen ihrer Bürger gefangengenommen hatten. Wie zu Zeiten Saddams war ein Mann einfach von den Straßen Baghdads "verschwunden".




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