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Irakische Stadt des Friedens auf dem Weg ins Chaos
15.07.2003









Wie AP am Dienstag berichtete, verdichten sich die Anzeichen, daß auch in der heiligen irakischen Stadt Karbala der bisher dort vorhandene Frieden nicht mehr lange andauern wird.

In einem Gespräch mit dem stellvertretenden Gouverneur der Stadt, dem 53-jährigen Anwalt Abdel-Aziz al-Nasrawi, zeigte sich dieser nervös. "Die Probleme sind riesig", sagte er leise, sich immer wieder nach den amerikanischen Offizieren auf der anderen Seite des Raums umsehend.

Die US-Kommandeure, sagte er, seien nicht flexibel genug und interpretierten einfache Akte der Frömmigkeit fälschlich als religiösen Extremismus.

Darüber hinaus hat sich die Kluft zwischen den zwei shiitischen Gruppen weiter vergrößert, was ebenfalls zu Spannungen in der Stadt führt, die seit dem Fall Saddam Husseins sehr friedlich ist.

Außerdem würden Drogen und Pornographie in der Stadt immer weiter verbreitet werden, beklagte er.

Letzte Woche wurden amerikanische Soldaten zum ersten Mal seit der Eroberung der Stadt in Karbala angegriffen. Es gab keine Opfer und der Militärkommandeur Marine Lt. Col. Matthew Lopez bezeichnete es als "einzelnen Vorfall."

Die Anzeichen sprechen eine andere Sprache.

Junge Männer sagten, der einzige Grund, warum sie bisher keine Amerikaner angegriffen haben, sei, daß es bisher keine Fatwa (religiöser Erlaß) eines hohen shiitischen Geistlichen gäbe, die zum heiligen Krieg aufruft.

Der Repräsentant von Großayatollah Ali Husseini al-Sistani, einer der beiden shiitischen Gruppen der Stadt, Scheich Abdel-Mahdi Abdel-Ameer, sagte "die Umstände sind nicht richtig für einen Aufruf zum Jihad", fuhr aber fort, daß das nicht so bleiben muß. "Momentan nutzen wir friedliche Wege, um eine Verfassung und eine repräsentative Regierung zu fordern. Aber es wird etwas anderes sein, wenn diesen Forderungen nicht nachgekommen wird."

Die Anführer der zweiten shiitischen Gruppe, al-Sadr, zeigten schon eine aggressivere Haltung gegenüber den Besatzern. Ihr Anführer, Khaled al-Kazimi, erzählte, daß er die Amerikaner aufgefordert habe, sich bis zu einem 15 Kilometer entfernten Punkt aus der Stadt zurückzuziehen.

Lewis beteuert zwar, daß die Soldaten alles täten, um die örtlichen Sitten und Gebräuche nicht zu verletzen, al-Nasrawi sieht das aber anders. Seiner Ansicht nach werden die Probleme in der Stadt durch das Unverständnis der Amerikaner für den moslemischen Glauben verstärkt.

Letzten Monat hatten die Amerikaner eine von Geistlichen aufgestellte 500-köpfige Polizeitruppe aufgelöst, die Plünderungen wie in Baghdad und anderen Städten verhindert hatte. Allerdings hatte sich auch auf die Einhaltung moslemischer Regeln wie der strengen Kleiderordnung für Frauen geachtet und Razzien an Orten durchgeführt, die sie des Handels mit Drogen oder Pornographie verdächtigten.

"Sie glauben, es sei Hollywood, aber das ist es nicht", sagte al-Nasrawi. "Dies ist eine heilige Stadt und so muß sie auch behandelt werden."

Die Sprache zwischen den beiden rivalisierenden shiitischen Gruppen verschärft sich zwar auch, es ist aber davon auszugehen, daß sich Gewalt im Zweifelsfall als erstes gegen die Besatzer richten würde.

Ein altes Beduinen-Sprichwort lautet:

Ich gegen meinen Bruder.
Ich und mein Bruder gegen unseren Cousin.
Ich, mein Bruder und unser Cousin gegen unsere Nachbarn.
Wir alle gegen den Fremden.




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