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Das Recht auf Rückkehr als Grundlage jeden Kompromisses
17.07.2003


Yehudith Harel

Ein Kommentar zu der Umfrage, ob vertriebene Palästinenser in ihre Heimat zurückkehren wollen.







Es ist sehr wichtig, eine verbindliche Umfrage zu dem sensiblen Thema des Rechts auf Rückkehr (RAR) zu haben, durchgeführt von einem Experten mit tadelloser professioneller Autorität wie Khalil Shikaki, das Ergebnis ist allerdings nicht überraschend. Die jüngst vorgestellten Ergebnisse dieser Umfrage, über die James Bennet in der IHT und der NYT berichtete stimmen mit den Ergebnissen meiner eigenen kleinen "Forschungen" überein, die auf einem privaten Besuch dreier Flüchtlingslager in Jordanien 1996 beruhen.

Sie stimmen mit den Inhalten vieler Gespräche überein, die ich seit dem mit anderen Palästinensern, Flüchtlingen, die in der West Bank oder im Ausland leben, geführt habe.

Ich ging 1996 zusammen mit einem Kollegen von der israelischen Friedensbewegung nach Jordanien, um dort zu versuchen, Kontakte mit jordanischen Friedensgruppen zu knüpfen und uns wurde die Gelegenheit geboten, die Flüchtlingslager zu besuchen. Wir wurden von einem PLO-Mitglied begleitet, der unseren Besuch in den Lager arrangiert hatte. Wir sagten nicht, daß wir Israelis waren - unser Gastgeber sagte den Leuten, daß wir europäische Journalisten waren. Wir hatten das Privileg und die Gelegenheit, Menschen in drei Lagern - Wihdat, Yarmouch und Abdoun (ja, nahe der Millionärsunterkunft in Amman gibt es auch ein Flüchtlingslager gleichen Namens) - zu besuchen und mit ihnen zu sprechen. Wir sprachen in den Lagern mit ungefähr 30 Leuten und mit einer anderen Gruppe von Flüchtlingen, die außerhalb der Lager in Amman und Irbid lebten.

Insgesamt sprachen wir mit mehr oder weniger 40 bis 50 Menschen. Die Mehrheit der Leute sagte, daß sie trotz ihrer Träume und Verbundenheit zu Palästina aus vielen Gründen nicht vorhatten, nach Israel zurückzukehren.

Unter den aufgeführten Gründen war die Tatsache, daß ihre Häuser und Dörfer nicht mehr existierten und daß Israel ein rassistisches Land sei, in dem sie nicht willkommen sind und daß sie nicht Bürger zweiter Klasse in einer rassistischen Gesellschaft werden wollen.

Einige sagten, daß ihnen klargeworden war, daß Israel ihnen die Rückkehr niemals gestatten würde und daß sie ihr Leben mit Hilfe der Abfindung in Ordnung bringen wollen. Einige ältere Leute sagten, sie wollten die Abfindung bekommen, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.

Trotzdem sagte jeder, wirklich jeder, daß sie ein direktes und eindeutiges Anerkenntnis ihres Rechts auf Rückkehr und das Recht, einer freien Entscheidung, die Rückkehr abzulehnen, forderten. Sie bestanden darauf, daß sie das Recht forderten, die Rückführung abzulehnen und daß sie es niemals akzeptieren würden, von Israel "gesagt" zu bekommen, daß sie nicht zurückkehren könnten.

Ein derartiges Anerkenntnis ihres Rechts, ihnen das Recht zurückzugeben, die Rückkehr abzulehnen, würde ihnen ihre Ehre zurückgeben, würde beweisen, daß ihnen Unrecht getan worden war. Erst danach können sie eine Entschädigung für ihr verschwendetes Leben, für ihr Leid und Elend und den Verlust ihres Besitzes akzeptieren.

Als sie nach ihrer bevorzugten Wahl gefragt wurden - wo sie sich gern ansiedeln würden - sagten nur einige wenige, daß sie bereit wären, zurückzukehren und israelische Staatsbürger zu werden und sich wo immer möglich innerhalb der grünen Linie anzusiedeln.

Die Mehrheit sagte, sie würden bleiben, wo sie waren - in Jordanien, einige sagten, sie würden in den Freien Staat Palästina oder anderswo hin gehen. Nichtsdestotrotz kam die einhellige und unnachgiebige Forderung nach der Anerkennung ihrer Rechte so nachdrücklich. Es war genau dort, daß ich verstand, was es für die Palästinenser wirklich bedeutete und daß es ohne dieses Anerkenntnis niemals eine Lösung für den Konflikt geben wird.

Unsere Leute hier verstehen nicht die psychologische und historische Wichtigkeit, die die Anerkennung des Rechts auf Rückkehr für die Palästinenser hat. Die Anerkennung hat viele Bedeutungen, aber die mit Abstand wichtigste ist, daß die Anerkennung sie wieder zu rechtmäßigen Besitzern und gleichwertigen Partnern in diesem Land machen würde und es würde bedeuten, daß die Entschädigung, die sie erhalten, ihr Recht ist und keine von uns "gewährte" Hilfe aufgrund unseres "Edelmuts und Wohlwollens".

Sie können und wollen eine Entschädigung nicht als Hilfe auf einer humanitären Grundlage akzeptieren. Sie können und wollen ihre gerechte Sache nicht zu einer "humanitären Angelegenheit" reduzieren lassen, die aus Edelmut von Israel und der internationalen Gemeinschaft gelöst wird. Nur ein formelles Anerkenntnis ihrer Rechte kann einen Unterschied machen.

Es ist auch eine Art, "Rechnungen zu begleichen" mit der zionistischen Bewegung und dem 55 Jahre andauernden Mißbrauch ihres "Namens", der Zerstörung ihrer Gesellschaft und Erbes, dem Mißbrauchs ihrer Rechte, ihrem Leiden, dem Umschreiben ihrer Geschichte durch uns und der Dominierung der internationalen Gespräche in der Hinsicht.

Israelis lehnen es ab, das RaR anzuerkennen gerade weil sie nicht bereit sind zuzugeben, daß wir den Palästinensern Unrecht getan haben. Unsere Leute sind nicht bereit, unseren Teil der historischen Verantwortung für diese Tragödie anzunehmen. Während sie dieses RECHT verleugnen und behaupten, daß es nicht existiert, schützen die Israelis den vorherrschenden Status und die selbstgerechte und selbsternannte moralische Überlegenheit der zionistischen Bewegung über die moralischen und historischen Rechte der ursprünglichen Bewohner dieses Landes.

Ein solcher Ansatz kann nicht zur Aussöhnung führen. Um es ganz klar auszudrücken:

Bei der Anerkennung des RaR durch Israel geht es nicht um das tatsächliche RaR, wie durch die Forschung Shikakis klar gezeigt wurde, sondern darum, eine historische Rechnung zwischen den Palästinensern und den jüdischen nationalen Bewegungen auszugleichen... Daher ist sie der Schlüssel zur Tür der Aussöhnung zwischen den zwei Völkern.

Ich verbrachte das Wochenende in Ramallah und hatte die Gelegenheit, eine weitere neu angekommene Flüchtlingsfamilie zu treffen. Sie sind Flüchtlinge der ersten und zweiten Generation aus Jaffa - und PLO-Mitglieder. Der Mann wurde in Jaffa geboren und wurde mit seiner Familie vertrieben als er ein kleiner Junge war. Sie wurde ein Jahr nach der Nakba ["Katastrophe", Bezeichnung für die Massenvertreibung von Palästinensern nach der israelischen Besetzung der West Bank und des Gaza-Streifens] geboren und wuchs in Jordanien auf, bis sie im "Schwarzen September" vertrieben wurden. Dann zog ihre Familie nach Beirut, wo sie Studentin und PLO-Aktivistin wurde.

Sie heiratete und hatte zwei kleine Kinder, als sie 1982 wiederum mit der PLO vertrieben wurden. Ihre neue Familie wurde ein weiteres Mal entwurzelt und getrennt. Ihr Ehemann wurde in den Jemen geschickt, während sie nach Zypern ging. 1991, nach dem Golfkrieg, wurden sie aus den Emiraten vertrieben und ihr Ehemann wurde zurück nach Tunis geschickt.

1994 kam er mit der PLO zurück, aber sie und die Kinder waren nicht "auf der Liste" - erhielten keine Erlaubnis - also gingen sie nach Amman...

Erst 1996 erhielt sie die Genehmigungen für sich und ihre zwei Kinder, um in Ramallah wieder mit ihrem Mann zusamenzukommen. Jetzt leben sie in Ramallah, arbeiten für die palästinensische Autonomiebehörde und ziehen von einer Mietwohnung in die nächste - und zahlen hohe Mieten in US-Dollar - denn die örtlichen Vermieter mißbrauchen die "aedin" (die "neuen" Rückkehrer) und fordern die Miete in US-Dollar...

Trotz der Tatsache, daß sie Besitz in Jaffa haben, können sie es sich nicht leisten, eine Wohnung in Ramallah zu kaufen... Ich habe mich mit mehreren solchen Familien angefreundet und es ist eine typische Geschichte.

Bis ich solche Leute traf hatte ich nie wirklich verstanden, was es hieß, ein Flüchtling zu sein und wie der Krieg im Libanon 1982 und der Golfkrieg 1991 ihre Familien und ihre Leben beeinflußte und eine Nachstellung der schmerzhaften Erfahrung der Nakba von 1948 schuf - ein weiteres Entwurzeln, ein weiteres Exil und Trennung von Familien wieder und wieder.

Mir fiel auch auf, daß all diese Familien in gemieteten Wohnungen leben, manchmal in einem neuen Wohnblock, aber häufiger in einer Art Souterrainwohnung: die wohlhabenden Leute in Ramallah, die glücklichen Hausbesitzer, trennen den unteren Teil ihrer Häuser ab um eine große Wohnung zu schaffen, die für gewöhnlich sehr dunkel ist und vermieten sie dann für viel Geld an die "aedin"...

Diese Frau erzählte mir gerade, wie sie diese Wohnung haßte, weil sie so dunkel war. Ich blieb über Nacht bei einer anderen "Rückkehrer"-Familie und schlief in ihrer Wohnung, die von der gleichen Art war. Tatsächlich war diese Art der deprimierenden Dunkelheit der erste Eindruck, den ich hatte, als ich in ihre Wohnung kam. Kein Sonnenlicht kam herein.

Trotzdem sind meine Gastgeber glücklich über ihr Zuhause, das das erste wirkliche Zuhause ist, das sie seit ihrer Vertreibung aus Beirut hatten... Ich stelle mir vor, daß eines Tages jemand eine Geschichte über diese Wohnungen schreibt oder einen Film darüber dreht.

Apropos Filme: Freitag Nacht habe ich mir in Ramallah einen neuen palästinensischen Film angesehen.

Es war die Premiere eines neuen palästinensischen Films über das Ringen um das Land und gegen die Siedlungen - "Maussem al Zeitoun" - die Jahreszeit der Oliven - von Elias Hanna. Das Hauptthema waren die Olivenbäume gegen die Siedlungen, aber es gab noch viel mehr. Es war ein herrlicher Abend - Leute suchten einen Augenblick der Normalität und geistiger Gesundheit inmitten der schrecklichen Realität der Besetzung, Unsicherheit und täglichen Erniedrigung.

Ich werde den Film noch einmal sehen, morgen, Dienstag um 17:30 Uhr in einem Kino in Tel Aviv. Es wird interessant sein, die Atmosphäre und die Gespräche an diesen beiden Orten zu vergleichen... Ramallah gegen Tel Aviv.




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