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Innovative Krankenversorgung
04.06.2003


Kommentar

Norman Kuehl





Während in Großbritannien darüber nachgedacht wird, Raucher und Übergewichtige nur noch zu behandeln, wenn sie eine Verpflichtung unterschreiben, mit dem Rauchen aufzuhören beziehungsweise abzunehmen, geht ein Vorschlag aus Deutschland noch etwas weiter: alten Menschen soll der Zugang zu teurer Medizin verweigert werden, solange sie dies nicht selbst zahlen (können).

In Großbritannien wird zwar noch diskutiert, wie Menschen, die sich weigern die Vereinbarung zu unterschreiben oder sich danach nicht an sie halten bestraft werden sollen, aber dieses Problem ist ja sicherlich lösbar.

Wie bisher kann es ja nun auch wirklich nicht mehr weitergehen. Diese ganze "Solidargemeinschafts"-Geschichte. Wer für sein Geld ehrlich arbeitet, braucht auch nicht die Solidarität der anderen. Oder doch?

Es ist schön, daß der Wirtschaftsprofessor Friedrich Breyer (der mit dem großartigen Vorschlag) so um das Krankenversicherungssystem in Deutschland besorgt ist. Und das, wo es ihm doch eigentlich egal sein könnte, da er ja sicherlich privat versichert ist.

Interessant ist sicherlich auch die Frage, wie sich diese Idee mit der Verpflichtung von Ärzten http://www.aerzte-pfusch.de/genfergeloebnis.html, Menschen zu helfen, verträgt. Obwohl eine gesetzlich verordnete unterlassene Hilfeleistung ja keine sein kann...

Aber ist sein Vorschlag nicht eigentlich zu kurz gedacht, ja geradezu unmenschlich? Das würde ja bedeuten, daß Menschen, die als für eine Behandlung als zu alt erachtet werden - wobei seine vorgeschlagene Altersgrenze von 75 Jahren ja dynamisch mit den Haushaltsproblemen der Krankenkassen nach unten angepaßt werden kann - an der dann nicht behandelten Krankheit möglicherweise langsam und qualvoll sterben. Wäre es nicht humaner, hier eine "präventive Sterbehilfe" einzuführen?

Eine Altersgrenze von 30 Jahren wäre da sicherlich übertrieben, die Menschen sollen ja noch etwas für die Gemeinschaft leisten - naja, eigentlich brauchen sie das dann ja auch nicht mehr...

Auch der britische Vorschlag scheint nicht konsequent genug zu sein. Hier ließe sich durch einen kurzen Blick über den Kanal nach Deutschland sicherlich leicht Potential finden. Statt Verträge auszuhandeln, deren Einhaltung auch wieder überwacht werden müßte, warum Rauchern und Übergewichtigen nicht gleich die Behandlung versagen? Wenn sie wirklich gesund werden wollen (und noch nicht zu alt für die Behandlung sind) werden sie schon mit dem Rauchen aufhören oder abnehmen.

Dieses Vorgehen gegen das Rauchen eröffnet dann allerdings wieder ein neues Problem, da es vermutlich tatsächlich dazu führen würde, daß viele Menschen das Rauchen aufgeben würden, was zu einem Problem bei den Einnahmen durch die Tabaksteuer führen würde. Dies zeichnete sich schon in Deutschland bei der Erhöhung der Tabaksteuer ab, die jetzt in drei "verträglicheren" Schritten kommt, damit nicht zu viele Raucher abstinent werden.

Die "Vorschläge" sind zwar rechtlich schwer durchzusetzen - die Versicherten haben Ansprüche erworben, die man ihnen nicht von einem Tag auf den anderen nehmen kann - sie sind auch in höchstem Maße menschenverachtend.

Allein die Tatsache, daß sich Menschen trauen, diese Gedanken öffentlich zu äußern und daß sich sogar noch andere, wenn auch wenige, finden, die sich zwar zurückhaltend, aber doch zustimmend äußern, "da die Kassen pleite sind und ja nun mal was passieren muß" weckt Erinnerungen an eine Vergangenheit, in der auch Behinderte "von ihren Leiden erlöst" wurden.

Derzeit ist Deutschland größtenteils in der Empörung vereint, es bleibt nur abzuwarten, ob dies in ein oder zwei Jahren, wenn sich jemand angesichts der dann noch katastrophaleren Finanzlage der Krankenkassen an den Vorschlag "erinnert" auch noch so sein wird. Und wie auch in anderen Bereichen die Grundrechte in sehr kleinen Schritten beschnitten werden, könnte auch dieser Weg sehr unauffällig eingeschlagen werden, beispielsweise durch anfänglich "minimale" Zuzahlungen.

"Ja, Frau Meyer, ich weiß, daß sie letzte Woche zur Dialyse hier waren. Aber sie wissen doch selbst, daß sie vorgestern Geburtstag hatten. Also gehen sie jetzt bitte. Und nehmen sie bitte auch ihren Mann mit. Wie ich feststellen mußte, hat er sein zulässiges Höchstgewicht überschritten."







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