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Angenommen, man möchte einen ständigen Krieg
13.06.2003


Robert Higgs

http://www.independent.org/tii/news/030612Higgs.html







Ich gebe zu, daß es eigenartig scheint, einen ständigen Krieg zu wollen, aber ich möchte die Frage "warum" fürs erste zurückstellen und annehmen, daß man es nicht wollen würde, wenn man sich nicht sicher wäre, etwas wichtiges dabei zu gewinnen. Wenn man nun, aus Gründen, die man für angemessen hält, einen ständigen Krieg will, was braucht man, um eine solche Politik in einer demokratischen Gesellschaft wie den Vereinigten Staaten möglich zu machen?

Als erstes müßte die Gesellschaft eine dominante Ideologie haben - eine weit verbreitete gemeinsame Vorstellung über soziale und politische Beziehungen - innerhalb derer ein ständiger Krieg als eine wünschenswerte Politik - aufgrund der eigenen Inhalte der Ideologie und von ihren Anhängern akzeptierte entsprechende Fakten - erscheint. Etwas wie amerikanischer Chauvi-Patriotismus mit Antikommunismus könnte das schaffen. Das hat über fast ein halbes Jahrhundert lang im Kalten Krieg ziemlich gut funktioniert. Das wundervolle am Antikommunismus als führender Ideologie war, daß er dazu benutzt werden konnte, einen großen Spielraum politisch nützlicher Aktionen hier und im Ausland zu rechtfertigen. Die Kommies, wir erinnern uns, waren überall, nicht nur in Moskau und in Sevastopol, sondern vielleicht auch in Minneapolis und San Francisco. Wir mußten auf der Hut bleiben, wir konnten unsere Deckung nie fallen lassen, nirgends.

Als zweites bräuchte man wiederkehrende Krisen, denn ohne sie wird die Öffentlichkeit gefällig, furchtlos und also nicht willens, die schweren Lasten hinzunehmen, die sie tragen müssen, wenn die Regierung einen ständigen Krieg führt. Wie Senator Arthur Vandenberg 1947 beim Beginn des Kalten Krieges zu [US-Präsident] Harry Truman sagte, ist es nötig, um die Unterstützung der Öffentlichkeit für einen immerwährenden weltweiten Feldzug zu gewinnen, "das amerikanische Volk zu Tode zu erschrecken." Jede Krise reizt die Unsicherheit der Leute und macht sie wieder willens, den erforderlichen Preis zu zahlen, egal ob er ihr Vermögen, ihre Freiheiten oder das Blut ihrer Männer erfordert. Dinge wie die (angebliche) Raketenlücke, die (angeblichen) Angriffe auf US-Marineschiffe im Golf von Tonkin oder die (tatsächliche!) Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran werden gut funktionieren, zumindest eine Zeit lang. Krisen gehen ihrer Natur nach zurück, und neue müssen kommen - oder zum kommen gebracht werden - um dem momentanen Erfordernis zu dienen.

Als drittes bräuchte man einige mächtige politische Gruppen, deren Mitglieder durch einen ständigen Krieg große Vorteile erzielen würden, daß heißt, ihre dringenden persönlichen und gruppenbezogenen Ziele zu erreichen. Man mag mich krass nennen, aber ich habe festgestellt, daß nur wenige Leute länger engagiert bleiben, wenn "nichts für sie drin ist."

Im Kalten Krieg bestand die Ansammlung persönlich interessierter Parteien aus denjenigen, die den Militär-Industrie-Kongreß-Komplex (MIKK) bilden. Die Generäle und Admirale liessen es sich gutgehen, indem sie eine große Streitkraft, die durch ein üppiges Budget gestützt wurde, befehligten. Die Vertragsnehmer der Rüstungsindustrie erfreuten sich überreichlicher Gewinne bei minimalem Risiko (denn sie konnten erwarten, daß, sollten sie es zu sehr vermasseln, es zu einem Notverkauf kommen würde). Mitglieder des Kongresses die zu den Haushaltsausschüssen für das Militär gehörten, konnten ihre Positionen in Wahlkampfspenden und viele andere Einkommensarten umwandeln. An der Spitze des ganzen Komplexes genossen der Präsident, der Nationale Sicherheitsrat und ihre vielen Untergebenen, Berater und Schmarotzer die politischen Vorteile, die die Kontrolle der militärischen und diplomatischen Angelegenheiten eines großen Landes mit sich bringen - um gar nicht erst von der reinen Freude zu reden, die manche Leute empfinden, wenn sie große Macht ausüben oder beeinflussen. Natürlich ist das keine Verschwörung, nur eine ganze Reihe von Leuten, die ihre Nische gefunden hatten und es sich gut gehen liessen, während sie verkündeten, daß sie es gut machten (man erinnere sich an die Ideologie und das Krisenelement). Alle versuchten nur, dem Allgemeinwohl zu dienen. Absolut.

Die vorangegangenen Beobachtungen sind von Generationen von Studenten des Kalten Krieges akzeptiert worden. Jetzt könnte man einwenden, daß der Kalte Krieg vorüber ist, die UdSSR nicht mehr existiert und die Bedrohung durch den Kommunismus zerstört ist. Unter den Bedingungen nach dem Kalten Krieg, wie kann man da einen ständigen Krieg haben? Nun, alles was man tun muß, ist das fehlende Glied zu ersetzen.

Wenn die Ideologie des Antikommunismus nicht mehr als Rechtfertigung für einen ständigen Krieg dienen kann, warum nicht das umfassende Grundprinzip des "Krieg gegen des Terrorismus" an seine Stelle setzen? Tatsächlich führt diese Ersetzung, die Präsident George W. Bush "eine neue Art von Krieg" nennt, für die Hauptdarsteller zu einer Verbesserung, denn während der Kalte Krieg nach dem Zusammenbruch der UdSSR und des internationalen Kommunismus nicht weitergeführt werden konnte, kann der Krieg gegen den Terrorismus, mit all den damit verbundenen Vorteilen, für immer weitergeführt werden. Schließlich, so lange der Präsident sagt, daß er Geheimdienstinformationen besitzt, daß "sie" sich immer noch da draußen verschwören um uns alle umzubringen, wer sind wir, daß wir anzweifeln würden, daß die Bedrohung noch existiert und ihr begegnet werden muß? Der Rauch hatte sich am Ground Zero gerade verzogen, als Vizepräsident Dick Cheney am 19. Oktober 2001 erklärte, daß der Krieg gegen den Terrorismus "vielleicht nie endet. Er ist der neue Normalzustand."

Den ganzen Kalten Krieg über hat kaum ein Amerikaner einen durch-und-durch-Kommie gesehen, und doch glaubte fast jeder, daß die Kommies überall lauerten, also können wir jetzt ebenso gut glauben, daß jeder, überall, ein tötlicher Terrorist im Besitz einer Kofferatombombe oder einer Kanne Milzbrandsporen sein könnte. Tatsächlich beruhen aktuelle Kontrollen an Flughäfen auf dieser Annahme - andernfalls würde es keinen Sinn machen Oma am Dulles International Airport sich für die Durchsuchung ausziehen zu lassen.

Potentielle Terroristen sind "da draußen", daran besteht kein Zweifel, in der wundervollen Welt des Islam, ein Bogen, der sich von Marocco über Nordafrika, den Mittleren Osten, Südwestasien bis Malaysia und weiter nach Indonesien und Mindanao erstreckt, um London, Amsterdam und Hamburg gar nicht zu erwähnen. Und das ist gut, denn es bedeutet, daß die Führer der USA die ganze Welt in Einklang mit den von ihnen aufgestellten Regeln im Kampf gegen den Terrorismus bringen müssen. Es ist eine schöne Sache, die Welt zu beherrschen und noch schöner, es rechtmäßig zu tun.

Und es kommt noch besser, die mögliche Allgegenwart der Terroristen rechtfertigt, daß US-Führer ihre Bemühungen um einen Überwachungs- und Polizeistaat hier bei uns mit dem USA PATRIOT Act, der Wiederkehr der FBI COINTELPRO Aktivitäten und dem ganzen Rest, weiter verstärken. Adios, Bill of Rights. Der Dümmste weiß, daß diese neuen Befugnisse für andere politische Zwecke eingesetzt werden, die absolut nichts mit Terrorismus zu tun haben. Tatsächlich wurden sie es bereits. Wie die New York Times am 5. Mai 2003 berichtete: "das Justizministerium hat begonnen, seine Antiterrormacht auszuweiten um Millionen von US-Dollars von ausländischen Banken zu beschlagnahmen, die Geschäfte mit den Vereinigten Staaten machen" und "die meisten der Beschlagnahmen standen im Zusammenhang mit Untersuchungen von Fällen von Betrug und Geldwäsche, die keine Verbindung zu Terrorismus hatten."

Das Grundprinzip des Kriegs-gegen-den-Terrorismus hat sich als für die amerikanische Öffentlichkeit, die betrügerische Versicherungen der Regierung geschluckt hat, daß der sogenannte Krieg sie sicherer gemacht hat, genial erwiesen. Vieles dieser Akzeptanz resultiert zweifellos aus dem Schock, den viele Amerikaner erfuhren, als sich die Anschläge des 11. September als derart zerstörerisch erwiesen. Immer bereit, forderte die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, Condoleeza Rice, den Nationalen Sicherheitsrat direkt danach auf "ernsthaft über die Frage ‚wie schlägt man Kapital aus diesen Gelegenheiten' nachzudenken, um die amerikanische Doktrin grundlegend zu ändern und die Welt nach dem 11. September zu formen." Die mächtigsten und einflußreichsten Untergebenen des Präsidenten - Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und ihresgleichen - setzten daraufhin eine Reihe von Aktionen (und eine Flut von Desinformationen) in Bewegung, um den Tag zu nutzen, Maßnahmen, die neben vielen anderen Dingen in der militärischen Invasion und Eroberung erst Afghanistans und dann des Iraks gipfelten. Meinungsumfragen zeigen immer noch extrem hohe Zustimmung für "den Job, den der Präsident leistet", also ist im Weißen Haus wirklich jeder glücklich.

Ebenso kommen goldene Jahre auf den militärischen Teil des MIKK zu. Im Haushaltsjahr 2000, bevor George Bush die Regierung übernahm, hatte das Verteidigungsministerium ein Budget von 281 Milliarden US-Dollar. Nur vier Jahre später, davon ausgehend, daß der Kongreß dem Präsidenten bewilligt, was er für den Haushalt 2004 gefordert hat, wird das Budget des Verteidigungsministeriums mindestens 399 Milliarden US-Dollar betragen - eine Steigerung von 42 Prozent. Kein Wunder, daß die Generäle und Admiräle in den Gängen des Pentagons tanzen: die ganze Beute und dazu noch die ganzen militärischen Ehrungen und Beförderungen!

Die schöne Zeit für die Offiziere hat sich auch auf die großen Waffenlieferanten ergossen, deren Aktienkurse in den letzten Jahren dem Trend des Kursverfalls an den Aktienmärkten angenehm widerstanden haben. Mit nur einer Ausnahme haben alle großen Waffensysteme drohende Budgetkürzungen überlebt und ihre Hersteller können in eine jahrzehntelange Zukunft der gutbezahlten Ruhe blicken, wenn sie die Modelle B, C, D und so weiter liefern, ebenso durch die lohnende Wartung und Reparaturen, Schulungen, Softwareupdates und andere damit zusammenhängende Lieferungen und Dienstleistungen für ihre Waffen aus dem Kalten Krieg auf der Suche nach einem passenden Feind. Mit den unsterblichen Worten des Vizepräsidenten von Boeing, Harry Stonecipher: "Das Portemonnaie ist jetzt offen." Das Wall Street Journal berichtete "Der Antiterrorfeldzug führt zu reichhaltigen Zeiten für das Militär und die Notwendigkeit, harte Entscheidungen über Waffensysteme zu fällen, ist komplett weggefallen."

Der Kongreß genieß die Situation ebenfalls. Unter den momentanen Umständen können die Mitglieder einfacher die Ausgaben für Waffen nutzen, um ihre eigene Wiederwahl voranzubringen. "Parteienübergreifend", berichtete die New York Times, "sagen die Gesetzgeber des Capitol Hill dem Pentagon, daß sie die Ausgaben für konventionelle große Waffensysteme, insbesondere Kriegsschiffe und Flugzeuge, weiter erhöhen wollen." Darüberhinaus versuchen viele Mitglieder, die Schließung von Basen zu verhindern oder zu verzögern, durch die das Pentagon Milliarden von US-Dollar einsparen könnte und die sogar von den Generälen als nutzlos betrachtet werden.

Inmitten all der Freude nimmt die Machtelite aber doch wahr, daß fast zwei Jahre seit dem 11. September 2001 vergangen sind und daß die Panik der Öffentlichkeit beginnt, abzunehmen. Das geht so nicht. Dementsprechend veröffentlichte die Regierung am 9. Juni einen Bericht, daß es eine "große Wahrscheinlichkeit" für einen Anschlag Al-Quaidas mit Massenvernichtungswaffen in den nächsten zwei Jahren gäbe. Sollte der Fall nicht eintreten, müßten die Behörden natürlich zur entsprechenden Zeit einen weiteren derart beunruhigenden Bericht veröffentlichen. Man muß die Leute auf den Beinen halten, "wachsam", wie es der Homeland Security-Zar gerne nennt.

Und bitteschön: der Krieg gegen den Terrorismus - der neue ständige Krieg - ist ein Gewinner. Der Präsident liebt ihn. Das Militär liebt ihn. Die hohen Herren bei Boeing und Lockheed lieben ihn. Die Mitglieder des Kongresses lieben ihn. Die Öffentlichkeit liebt ihn. Wir alle lieben ihn.

Mit Ausnahme vielleicht von dem eigenartigen Bürger, der sich, nachdem er alles bedacht hat, fragt, ob ein ständiger Krieg wirklich eine gute Idee für die belagerte US-Wirtschaft und die Freiheiten des amerikanischen Volkes ist.








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