Immer wieder nahmen und nehmen sich die USA das Recht heraus, andere Staaten wegen vorgeblicher demokratischer "Verstöße" zu kritisieren oder oder ungefragt Länder zu "befreien". Mehrere Meldungen der letzten Tage zeigen einmal mehr, daß es nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte, bis sich die Vereinigten Staaten dieser Logik folgend selbst "befreien" werden müssen. Die Gewaltenteilung und das unbedingte Recht auf einen fairen Prozeß werden allgemein als zwei Grundsäulen einer Demokratie angesehen. Beides wird von der derzeitigen US-Regierung unter Präsident George W. Bush offenbar als hinderlich in dem selbsterklärten "Krieg gegen den Terror" angesehen - und dementsprechend ignoriert. So berichtete der San Francisco Chronicle am Donnerstag, daß der US-Justizminister Alberto Gonzales US-Richtern die Kompetenz abgesprochen hat, Urteile zu fällen, wenn es um die "nationale Sicherheit" der USA gehe. "Ein Richter wird niemals in der Position sein zu wissen, was im Interesse der nationalen Sicherheit des Landes ist", sagte er und warnte Bundesrichter davor, sich in derartige Fälle einzumischen. "Wie sollen sich die Richter die Informationen beschaffen, das kollektive Wissen der ganzen Exekutive ... und einen Entschluß fällen, was im Interesse der nationalen Sicherheit unseres Landes ist", fragte Gonzales bei seiner Rede vor einer Versammlung des "American Enterprise Institute" (AEI). "Sie sind dazu nicht in der Lage". Tatsächlich ist Gonzales' Aussage unter den derzeitigen Bedingungen in den USA zwar einerseits zuzustimmen, andererseits offenbart sie aber auch eine bemerkenswerte Geringschätzung des US-Gerichtssystems - und dies bei dem US-Justizminister. Zutreffend ist die Aussage deshalb, weil die US-Regierung es bei entsprechenden Verfahren eben nicht für nötig hält, ihren Standpunkt durch Darlegung entsprechender Fakten zu untermauern - wiederum mit dem Hinweis auf die "nationale Sicherheit", geradezu ein Perpetuum Mobile des Rechts. Die Tatsache, daß dies von Gonzales so grundlegend gebilligt wird, bringt andererseits eine Mißachtung gegenüber grundlegendsten juristischen Vorgehensweisen zum Ausdruck, schließlich ist es üblicherweise so, daß sich in einem Rechtsstreit eine Partei nicht zu wundern braucht, wenn gegen sie entschieden wird, wenn sie zuvor nicht bereit war, entsprechende, vorgeblich vorhandene Fakten vorzulegen. Wie der Southwest Times Record am Freitag berichtete, sind US-weit in letzter Zeit mindestens sechs Staatsanwälte "aufgefordert" worden, zurückzutreten, so daß die Stellen aufgrund einer Regelung des "Patriot Act" anders als üblicherweise vorgesehen durch den Kongreß durch den Justizminister selbst besetzt werden könnten - auch wenn dieser sowohl bestritt, daß die Staatsanwälte aus "politischen Gründen" zum Rücktritt aufgefordert seien, oder daß er tatsächlich von seinem Recht zur Ernennung ihrer Nachfolger Gebrauch machen wolle. Mindestens in einem Fall ist dies nach Aussage des US-Senators Mark Pryor aus dem Bundesstaat Arkansas geschehen. Hierbei wurde der bisherige Staatsanwalt Bud Cummins durch Tim Griffin ersetzt. Nicht nur, daß Griffin sogar schon einige Tage vor Cummins' Rücktritt als neuer Staatsanwalt vereidigt worden war, er er hat von 2005 bis 2006 auch als Leiter der Oppositions-Erkundung - die vorrangig dazu dient, möglichst schmutzige Skandale über politische Gegner aufzuspüren - unter Karl Rove, bekannt als „Bushs Gehirn“ und tief verwickelt in den Skandal um die mutwillige Enttarnung einer CIA-Agentin, gearbeitet. Am Donnerstag bestritt Gonzales außerdem, daß die US-Verfassung eine Garantie von Rechten gemäß "Habaeas Corpus" - insbesondere die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung eines Menschen - enthalte. Es gäbe vielmehr "nur" einen Passus, der die Aufhebung dieses Rechts verbiete, womit seiner Ansicht nach aber keineswegs jedem Menschen dieses Recht zugebilligt wird. Angesichts dieser Vorgehensweisen und Ansichten kann es kaum verwundern, daß der Rolling Stone Gonzales am Freitag in einem Kommentar als "menschlichen Verfassungsvernichter" bezeichnete. Aber auch das US-Verteidigungsministerium scheint wenig Wert auf die von der US-Verfassung den Menschen vorgeblich garantierten Rechte zu legen. Am Freitag berichtete der Boston Globe, daß das Pentagon ein Handbuch für die Durchführung der bevorstehenden "Prozesse" - ein Begriff, der die Anwendung juristischer Verfahrensgrundlagen nahelegt - gegen "Terrorverdächtige" herausgegeben hat. Demzufolge könnte ein Angeklagter aufgrund von Aussagen, die auf Hörensagen - was bisher in "regulären" US-Prozessen nur unter strikten Auflagmen möglich ist - oder auch aufgrund eigener Aussagen, die durch "zwangsweise Verhörtechniken" - aber nicht durch "Folter", eine Unterscheidung, die allerdings nach Ansicht der US-Regierung im Auge des Betrachters liegt - wenn diese vor dem 30. Dezember 2005 angewandt wurden, zum Tode verurteilt werden, wenn er der "Beteiligung" an einer "Verschwörung oder gemeinsamen Unternehmung", die zum Tod eines Menschen führte, für "schuldig" befunden wird. Auch wird es den "Angeklagten" in den Verfahren verweigert werden, gegen sie vorgelegte "Beweise" einzusehen, wenn diese der Geheimhaltung unterliegen. Stattdessen soll ihnen eine nicht der Geheimhaltung unterliegende "Zusammenfassung" dieser "Beweise" zur Einsicht vorgelegt werden. All dies verletze aber nicht die Rechte der "Angeklagten" auf ein "faires Verfahren", so Dan Dell'Orto, Rechtsberater des Pentagons, bei einer Pressekonferenz. All diese Verletzungen grundlegendster Säulen einer Demokratie zeigen, was schon ein Artikel über Faschismus des Politikwissenschaftlers Dr. Lawrence Britt aus dem Jahre 2003 andeutete: die Demokratie der USA entwickelt immer unübersehbarere Züge eines faschistischen Staates. Impressum und Datenschutz contact: E-Mail |