In einer Reihe von langen Interviews gegenüber der britischen Times gab der britische Premierminister Tony Blair einen bemerkenswerten Einblick in - vermutlich nicht nur - seine Gedankenwelt. Was dabei zutage trat ist geeignet, zahllose Entscheidungen und Äußerungen Blairs - und anderer "westlicher" Politiker zu erklären. Auf die Frage, warum er bei seinem kürzlichen Besuch in der irakischen Hauptstadt Baghdad keine Splitterschutzweste getragen hat, entgegnete Blair: "Es ist weitaus wahrscheinlicher, daß ich heute einer Gruppe von Kindern die Hände schüttele und jemand etwas verrücktes tut als an einem Tag im Irak." "Ich meine nicht, daß es Redditch gefährlicher als in Baghdad ist, ich meine, wenn ich ermordet werden soll, dann ist dies unter Bedingungen wahrscheinlicher, bei denen ich mich unter die Leute mische und meine Leute keinen Ärger erwarten", so Blair weiter. Was auf den ersten Blick sogar noch recht vernünftig klingen mag, bedeutet doch nichts weniger, als daß er glaubt, daß die Bevölkerung des Iraks - jenes Landes, das durch den von Blair massiv unterstützten und geförderten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und die seitdem andauernde Besatzung in Schutt und Asche gelegt wurde - in gleichem Maße an Blairs Tod interessiert ist wie die Bevölkerung Großbritanniens. Angesichts der Tatsache, daß mittlerweile vermutlich eine Million Menschen infolge des Krieges gegen den Irak ums Leben gekommen sind und vier Millionen weitere sich auf der Flucht vor der Gewalt befinden, ist dies zweifellos ein bemerkenswerter Standpunkt. Es mag innerhalb Großbritanniens einfacher sein, Blair zu töten, wenn er es aber auch für wahrscheinlicher hält, daß dies dort geschieht als im Irak, wo dementsprechend mehrere Millionen Menschen vermutlich nur zu gern den Abzug einer auf Blair gerichteten Waffe betätigen würden, so gibt es hierfür nur zwei mögliche Erklärungen. Entweder, die - ohnehin für Blair miserablen - Umfragewerte über seine Beliebtheit sind grundlegend gefälscht oder er hat bei seiner Betrachtung des Iraks eine sehr intensiv rosarot gefärbte Brille aufgehabt. Dies erklärt denn auch zweierlei. Einerseits, daß Blair - wie auch viele andere mehr oder weniger an der irakischen Katastrophe mitschuldige Politiker - nicht müde wird, von "Fortschritten" im Irak zu sprechen. Die unzähligen toten, verletzten, verstümmelten, vertriebenen oder jeder Aussicht auf ein normales Leben beraubten irakischen Zivilisten blendet er dabei ebenso erfolgreich aus wie die - offiziellen zahlen zufolge - bisher fast 4.000 getöteten Besatzungssoldaten. Seine Aussage erklärt aber auch, warum er - und beileibe nicht nur er - immer neue Gesetze zur "Erhöhung der Sicherheit" fordert und durchsetzt. Offenbar fühlt er sich von seiner eigenen Bevölkerung derart gehaßt, daß er diese Maßnahmen vor allem auch zu seinem eigenen Schutz als notwendig erachtet. Dabei übersieht er nur eine Kleinigkeit. Ein brutaler Despot wird auf Widerspruch der Bevölkerung zweifellos mit Gewalt und Repressionen reagieren. Der Führer eines - vorgeblich oder vermeintlich - demokratischen Landes hingegen kann nur eine einzige Konsequenz ziehen, wenn er der Ansicht ist, vom Volk - also den Wählern - so gehaßt zu werden, daß er um sein Leben fürchten muß. Er muß zurücktreten. Genau diesen Schritt wird er zwar voraussichtlich in der kommenden Woche vollziehen, wenn er sich derart ungeliebt fühlt, kommt dieser aber offensichtlich um Jahre zu spät. Von all den anderen Politikern mit immer weiter fallender Zustimmung in der Bevölkerung - allen voran US-Präsident George W. Bush mit derzeit nur noch 28 Prozent - die offenkundig keinerlei solche Bestrebungen haben, gar nicht zu reden. Zurück zur Startseite Impressum und Datenschutz contact: E-Mail |