Wie die Nachrichtenagentur AP am Sonntag meldete, ist ein Scharfschütze des US-Militärs von einem US-Kriegsgericht im Irak des Mordes an einem unbewaffneten Iraker schuldig gesprochen worden. Im Laufe des Verfahrens war der Vorwurf des vorsätzlichen Mordes in Mord ohne Vorsatz gewandelt worden. Außerdem wurde Unteroffizier Evan Vela von den Militärrichtern nach dreistündigen Verhandlungen noch wegen Falschaussage und Fehlverhaltens verurteilt. Das Strafmaß ist noch nicht verkündet worden. Es könnte zwar bis hin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe reichen, ähnlich gelagerte Fälle in der Vergangenheit machen eine derart hohe Strafe allerdings ebenso unwahrscheinlich wie die gegen zwei weitere US-Soldaten im Zusammenhang mit diesem Fall verhängten Strafen. Velas Verteidiger hatten in dem Verfahren gesagt, die Erschießung von Genei Nasir al-Janabi sei ein durch "extreme Erschöpfung" und "Schlafentzug" verursachter "Unfall" gewesen. Demnach hatten Vela und die anderen Scharfschützen in den 72 Stunden vor dem Mord an al-Janabi nur fünf Stunden geschlafen. "Es war ein vorhersehbarer Unfall", sagte Velas Anwalt James Culp. "Was am 11. Mai passierte ist klar: Diese Männer wären äußerst, äußerst übermüdet und niemand konnte klar denken." In vorangegangenen Verfahren waren Velas Vorgesetzter, Feldwebel Michael A. Hensley und ein weiterer Soldat, der Stabsgefreite Jorge G. Sandoval, vom Vorwurf des Mordes an al-Janabi und zwei weiteren Irakern freigesprochen worden. In dem Verfahren hatte Hensley, der in die Scharfschützeneinheit verlegt worden war, um diese noch tödlicher zu machen, sich über seine Vorgesetzten beklagt und bestritten, daß jemals Zivilisten getötet wurden. "Ich fühlte mich von meinem Bataillonskommandeur und dem Oberstabsfeldwebel betrogen", sagte er hinsichtlich Oberstleutnant Robert Balcavage und Oberstabsfeldwebel Bernie Knight. "Jeder Mann, den wir töteten, war definitiv ein Terrorist. Wir wurden gelobt, wenn böse Jungs starben. Uns wurden Vorwürfe gemacht, wenn böse Jungs nicht starben." Hensley wurde schließlich zu 135 Tagen Gefängnis – die er zu jenem Zeitpunkt bereits in der Untersuchungshaft abgesessen hatte, einer Degradierung zum Unteroffizier und einem schriftlichen Verweis verurteilt. Auch Sandoval war zu einer bereits abgesessenen Haftstrafe von fünf Monaten, einer Degradierung und einem Soldverlust verurteilt worden, weil er am 27. April einen Zünddraht neben einen erschossenen irakischen Zivilisten gelegt hatte, um so den Eindruck zu erwecken, es habe sich um einen Widerstandskämpfer gehandelt. In dem Verfahren gegen Vela änderte Hensley – dem hierfür Immunität zugesichert worden war – seine Aussage grundlegend. Hier nun sagte er aus, al-Janabi habe im Versteck der Scharfschützen gekauert, als diese aufgewacht seien. Hensley habe ihm daraufhin befohlen, sich auf den Boden zu legen und habe ihn durchsucht. Al-Janabi habe angefangen zu schreien und als Hensley in einer Entfernung von etwa 30 Metern Männer im "wehrfähigen Alter" – was nach Definition des US-Militärs einen Altersrahmen von mindestens 15 bis 50 Jahren abdeckt – entdeckte, von denen er "glaubte", daß sie bewaffnet gewesen seien, habe er Vela befohlen, al-Janabi zu erschießen. Die Los Angeles Times zitierte Hensley dahingehend, daß er die Männer in einer Entfernung von knapp 200 Metern gesehen habe. Allen Berichten zufolge erteilte er den Befehl zur Erschießung al-Janabis, um so die Entdeckung des Verstecks der Scharfschützen zu vermeiden. Vela erschoß den am Boden liegenden al-Janabi daraufhin aus nächster Nähe mit seiner 9-Millimeter-Pistole. Ein Bericht der New York Times zeigt, wie kaltblütig Hensley in Wahrheit die Ermordung al-Janabis vorbereitet hat – ein überdeutlicher Widerspruch zu der Behauptung, so eine Entdeckung vermeiden zu wollen, auch wenn dies ohnehin keine Begründung für die Ermordung eines Zivilisten sein könnte. Demnach funkte Hensley drei Meldungen an seine Vorgesetzten, in denen er von einem bewaffneten Mann berichtete, der sich ihnen näherte. In einer vierten Meldung berichtete er dann von dessen Tod. Um diese Geschichte weiterhin plausibel zu machen, legte er anschließend ein Sturmgewehr des Typs AK-47 neben al-Janabis Leiche. Auch die Aussage von al-Janabis Sohn Mustafa macht deutlich, daß es sich bei der vorgeblichen "Gefahr" mit größter Wahrscheinlichkeit um eine reine Schutzbehauptung handelte und tatsächlich nur ein weiteres Opfer zur Verbesserung der "Erfolgszahlen" der Einheit gefunden worden war. Sein Sohn sagte in dem Verfahren gegen Vela aus, daß er auf der Suche nach seinem Vater war, um ihm von der Ermordung seines Cousins zu berichten. Als er ihn fand, befand sich dieser bereits in der Gewalt der US-Soldaten und auch er wurde gefangengenommen. Dort erzählte er seinem Vater vom Tod seines Cousins, woraufhin sein Vater "aufgeregt" gewesen sei. Nach einer Stunde befahlen die US-Soldaten al-Janabis Sohn zu verschwinden. Auch Hensley sagte aus, er habe Mustafa al-Janabi schließlich weggeschickt, nachdem dessen Vater laut geworden sei. Außerdem habe er auch alle anderen Soldaten mit Ausnahme von Vela weggeschickt, weil er "nicht wollte, daß sie Zeugen werden." Letztlich erscheint es auch wenig glaubwürdig, die Entdeckung eines Postens vermeiden zu wollen, die vorgeblich durch Schreie ausgelöst werden könnte, indem ein Soldat sein Waffe abfeuert, was kaum weniger Lärm und Aufsehen verursacht. Die Ermordung al-Janabis läßt zweifellos auch ein weiteres Mal erahnen, bei wie vielen der vorgeblich getöteten "Terroristen" es sich in Wahrheit um unschuldige Zivilisten handelt. Daß die drei Soldaten offiziell angeklagt wurden, weil sie in drei Fällen zivile Opfer nachträglich zu Widerstandskämpfern machten, indem sie entsprechendes "Beweismaterial" neben sie legten, zeigt, wie häufig derlei Maßnahmen angewendet werden. Die wahren Verantwortlichen für die mittlerweile weit über eine Million toten Iraker infolge des von den USA geführten völkerrechtswidrigen Angriffskrieges sitzen allerdings ohnehin nach wie vor im Weißen Haus in Washington, ohne daß sie bisher auch nur im entferntesten ein entsprechendes Verfahren zu fürchten bräuchten. Zurück zur Startseite Impressum und Datenschutz contact: E-Mail |