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Schießwütig

Die andere Gefahr in New York

30.04.2008  






Meldungen der vergangenen Tage lassen darauf schließen, daß das Leben in New York zunehmend gefährlich ist. Dies liegt allerdings nicht an einer steigenden Zahl von Verbrechen, sondern vielmehr daran, daß die Polizei der Stadt selbst für ihre Bürger zunehmend gefährlich wird.

Am Freitag hatte beispielsweise die britische Times berichtet, daß drei New Yorker Polizisten, die wegen des Todes des 23 Jahre alten Sean Bell angeklagt waren, in allen Punkten freigesprochen worden sind. Bell hatte am 25. November 2006 mit zwei Freunden die Oben-Ohne-Bar "Club Kahlua" verlassen, wo er seinen Junggesellenabschied mit ihnen gefeiert hatte – er wollte noch am gleichen Tag heiraten. Der Club wurde von mehreren verdeckten Ermittlern beobachtet, um Beweise für mögliche Drogendelikte und Prostitution zu erlangen. Nach Aussage der drei nun freigesprochenen Polizisten Gescard Isnora, Michael Oliver and Marc Cooper hörten sie, wie Bell zu seinen Freunden sagte, "laßt uns meine Knarre holen gehen", als sie gegen 04:00 Uhr in der Frühe den Club verließen. Dies wird von seinen beiden überlebenden Freunden allerdings vehement bestritten. Da bei den Männern später keinerlei Waffen gefunden wurden, erscheint ihre Aussage höchst glaubwürdig. Sie bestritten vor Gericht auch, daß die Polizisten ihnen Befhle erteilt hätten.

Die Polizisten hätten Bell daraufhin aufgefordert anzuhalten, woraufhin Bell versucht habe, Isnora zu überfahren und anschließend einen zivilen Transporter der Polizei gerammt habe. Außerdem habe Joseph Guzman, einer der beiden Freunde Bells, eine "plötzliche Bewegung" gemacht, als ob er eine Waffe hätte ziehen wollen, so Isnora in seiner schriftlichen Aussage. Die Polizisten eröffneten daraufhin das Feuer auf Bell, Guzman und ihren Freund Trent Benefield. Insgesamt feuerten sie 50 Kugeln auf die unbewaffneten Männer. Bell starb in dem Kugelhagel, in Guzmans Körper befinden sich noch immer 4 Kugeln, die bisher nicht entfernt werden konnten. Oliver hatte dabei das Magazin seiner halbautomatischen Pistole nicht nur leergefeuert, sondern ein weiteres eingesteckt und auch dieses vollständig auf die Männer abgefeuert. Isora feuerte 11 und Oliver 4 Kugeln ab. Zwei weitere Polizisten, die ebenfalls auf die Unbewaffneten geschossen hatten, waren nicht angeklagt worden.

Es kann kaum verwundern, daß Guzman im Zeugenstand emotional reagierte. "Dieser Typ schießt, als wäre er verrückt, als hätte er den Verstand verloren", sagte er über Isnora. Trotzdem sagte Richter Arthur Cooperman in seiner Urteilsbegründung, daß auch das "Benehmen im Gerichtssaal" der Zeugen der Anklage – neben ihren Strafregistern und "widersprüchlichen Aussagen" – ihre Glaubwürdigkeit "zunichte gemacht" hätten.

Ganz anderer Meinung war offensichtlich der Geistliche Jesse Jackson nach der Urteilsverkündung. "Ein ekelerregendes Muster zeigt sich in New York", sagte er im Hinblick auf den Fall des im Jahr 1999 von Polizisten mit 41 Schüssen getöteten, ebenfalls farbigen Amadou Diallo. Polizisten hatten sein Portemonnaie mit einer Waffe "verwechselt", als er es hervorholte. Auch sie waren in einem anschließenden Verfahren freigesprochen worden. "Das war ein Massaker, das war keine Schießerei. Und der US-Generalbundesanwalt muß Amerika die Sicherheit geben, daß wir alle den gleichen Schutz des Gesetzes erfahren", so Jackson weiter.

Hierbei ist es fast zweitrangig, ob es sich bei den Schüssen um eine rassistische motivierte Tat handelte, ob die Polizisten hier ein Irakkriegs-Trauma auslebten, einfach nur schießwütig waren oder sich tatsächlich "bedroht" fühlten. Viel entscheidender ist das von Richter Cooperman gesetzte Signal, daß der Staat die Tötung von Zivilisten, so unberechtigt diese auch sein mag und so brutal sie auch erfolgt ist, toleriert, wenn sie von Polizisten verübt wird.

Im Zusammenhang mit einem CBS-Bericht vom Donnerstag der vergangenen Woche fällt es nicht schwer, sich die tödlichen Folgen dieses Signals auszumalen. Demnach sind seit Donnerstag in den U-Bahnen von New York Polizisten im Einsatz, die mit Sturmgewehren des Typs M4 und Maschinenpistolen des Typs MP5 des Herstellers Heckler & Koch ausgerüstet sind. Das MP5 kann mit Magazinen mit 15 oder 30 Schuß 9-Millimeter-Patronen bestückt werden, die es in einer Geschwindigkeit von 900 Schuß pro Minute abfeuert. Die effektive Reichweite liegt dabei bei 100 Metern. Jeden Tag sollen fünf oder sechs dieser Einheiten im Rahmen der "Operation Torch" ("Operation Fackel"), einer "Anti-Terror"-Operation, vorrangig in den Verkehrsknotenpunkten der U-Bahn patrouillieren. Die Folgen, sollte eine jener so ausgerüsteten Polizeieinheiten in der New Yorker U-Bahn ähnlich reagieren wie Oliver und seine Kollegen, dürften das Wort "Massaker" mehr als rechtfertigen.





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