Die Gründe, warum Großbritannien in den Krieg gegen den Irak gezogen ist, erfahren nunmehr massive Aufmerksamkeit. Viel zu wenig Augenmerk wird hingegen darauf gerichtet, warum denn die VS in den Krieg gezogen sind, und das erhellt auch die britischen Motive. Die übliche Erklärung ist die, daß die Vergeltung gegen Al Qaida Basen in Afghanistan der natürliche erste Schritt war, einen weltweiten Krieg gegen den Terrorismus zu beginnen, nachdem die Zwillingstürme getroffen wurden. Dann, weil Saddam Hussein von der US-Regierung und der Großbritanniens bezichtigt wurde, Massenvernichtungswaffen zu lagern, konnte der Krieg auch auf den Irak ausgeweitet werden. Diese Theorie paßt jedoch nicht zu allen Tatsachen. Die Wahrheit dürfte weitaus düsterer sein. Wir wissen jetzt, daß ein Plan für eine globale Pax Americana ausgearbeitet wurde für Dick Cheney (derzeit Vizepräsident), Donald Rumsfeld (Verteidigungsminister), Paul Wolfowitz (Rumsfelds Stellvertreter), Jeb Bush (George Bushs jüngerer Bruder) und Lewis Libby (Cheneys Stabschef). Das Dokument mit dem Titel "Umbau von Amerikas Streitkräften" wurde im September 2000 vom neokonservativen Think Tank, "Project for the New American Century" (Projekt für das Neue Amerikanische Jahrhundert PNAC) geschrieben. Der Plan zeigt, daß Bushs Kabinett beabsichtigte, die militärische Kontrolle über die Golfregion in die Hand zu bekommen, ob nun Saddam Hussein an der Macht ist oder nicht. Es sagt "Während der ungelöste Konflikt mit dem Irak die unmittelbare Rechtfertigung liefert, übertrifft die Notwendigkeit einer erheblichen Präsenz amerikanischen Militärs am Golf das Problem des Regimes von Saddam Hussein." Der Plan des PNAC bestätigt ein früheres, auf Wolfowitz und Libby zurückzuführendes Dokument, welches besagte, die USA müßten "fortgeschrittene Industrienationen davon abschrecken, unsere Führerschaft herauszufordern oder auch nur eine größere regionale oder globale Rolle anzustreben". Es verweist auf die Hauptverbündeten wie Großbritannien als "das effektivste und effizienteste Mittel, die globale amerikanische Führerschaft auszuüben". Es beschreibt friedenserhaltende Missionen als "amerikanische politische Führerschaft eher erfordernd als die der UN". Es sagt weiter "außerdem sollte Saddam von der Bühne verschwinden", US-Basen in Saudi-Arabien und Kuwait werden dauerhaft bleiben... wie auch "Iran sich als ebensogroße Bedrohung für US-Interessen erweisen dürfte wie der Irak". Es stellt China ins Rampenlicht für einen "Regimewechsel" und besagt, "es ist an der Zeit, die Präsenz amerikanischer Streitkräfte in Südostasien aufzustocken". Das Dokument ruft auch nach "US-Weltraum Streitkräften", um den Weltraum zu dominieren sowie die totale Kontrolle des Cyberspace um "Feinde" davon abzuhalten, das Internet gegen die USA zu benutzen. Es weist auch darauf hin, daß die USA die Entwicklung biologischer Waffen erwägen sollten, "welche spezifische Genotypen ins Visier nehmen können [und] biologische Kriegsführung vom Reich des Terrors in ein politisch verwendbares Werkzeug umwandeln könnten". Schließlich faßt es - ein Jahr vor dem 11.9. verfaßt - Nordkorea, Syrien und Iran als gefährliche Regimes ins Auge und sagt, daß deren Existenz die Einrichtung eines "weltweiten Kommando- und Kontrollsystems" rechtfertige. Das ist ein Plan für die Weltherrschaft der USA. Bevor es aber als Agenda für rechtslastige Phantasten abgetan wird, liefert es offensichtlich eine weit bessere Erklärung dafür, was vor, während und nach dem 11.9. geschah als die These vom globalen Krieg gegen den Terror. Das kann man auf unterschiedliche Weise sehen. Erstens ist es klar, daß die US-Behörden wenig oder gar nichts unternommen haben, um den Ereignissen vom 11.9. vorzugreifen. Es ist bekannt, daß mindestens 11 Länder den USA vorausgehende Warnungen bezüglich der Angriffe vom 11.9. geliefert haben. Zwei ranghöhere Mossad-Experten wurden im August 2001 nach Washington geschickt, um CIA und FBI zu alarmieren bezüglich einer Zelle von 200 Terroristen, von denen es hieß, sie würden eine große Operation vorbereiten (Daily Telegraph, 16. September 2001). Die Liste, die sie lieferten, enthielt die Namen von vier der Entführer vom 11.9., keiner von ihnen wurde verhaftet. Es war schon 1996 bekannt, daß es Pläne gab, Ziele in Washington mit Flugzeugen zu treffen. 1999 dann erwähnte der Bericht eines Geheimdienstausschusses, daß "Selbstmordbomber der Al Qaida ein sprengstoffbeladenes Flugzeug ins Pentagon, die Hauptquartiere der CIA oder ins Weiße Haus stürzen lassen könnten. Fünfzehn der Entführer vom 11.9. erhielten ihre Visa in Saudi-Arabien. Michael Springman, der ehemalige Chef des amerikanischen Visabüros in Jeddah stellte fest, daß die CIA seit 1987 unerlaubterweise Visa an unqualifizierte Anwärter aus dem Mittleren Osten ausgefertigt und sie in die USA gebracht hatte, wo sie für den Afghanistankrieg in Zusammenarbeit mit bin Laden (BBC, 6. November 2001) in Terrorismus trainiert wurden. Es scheint, als wäre diese Operation auch nach dem Afghanistankrieg zu anderen Zwecken fortgeführt worden. Es wird auch berichtet, daß fünf der Entführer in den 90er Jahren ein Training in gewissen US-Militäreinrichtungen erhalten hätten (Newsweek, 15. September 2001). Aufschlußreichen Hinweisen vor dem 11.9. wurde nicht nachgegangen. Der französisch-marokkanische Flugschüler Zacarias Moussaoui (jetzt unter Verdacht der 20ste Flugzeugentführer zu sein) wurde im August 2001 verhaftet, nachdem ein Lehrer von dessen verdächtigem Interesse berichtete, das Führen großer Flugzeuge zu erlernen. Als US-Agenten vom französischen Geheimdienst erfuhren, daß er radikale islamistische Verbindungen habe, ersuchten sie um einen Durchsuchungsbefehl für seinen Computer, welcher Hinweise auf die Mission vom 11. September enthielt (Times, 3. November 2001). Das aber wurde vom FBI abgelehnt. Einen Monat vor dem 11.9. schrieb einer der Agenten, daß Moussaoui einen Aufschlag in die Zwillingstürme planen könnte (Newsweek, 20.Mai 2002). All dies macht es umso erstaunlicher, daß es - aus Sicht des Krieges gegen den Terrorismus - eine derart langsame Reaktion am 11.September selbst gab. Die erste Entführung wird nicht später als 8 Uhr 20 vermutet, das letzte Flugzeug, das in Pennsylvania aufschlug, um 10 Uhr 6. Nicht ein einziges Kampfflugzeug der US-Andrews Luftwaffenbasis, nur 16 Kilometer von Washington DC entfernt, wurde für einem Erkundungsflug gestartet, bis das dritte Flugzeug um 9 Uhr 38 das Pentagon getroffen hatte. Warum nicht? Es gab schon vor dem 11.9. standardmäßige Abfangprozeduren für die Luftabwehr entführter Flugzeuge. Zwischen September 2000 und Juni 2000 hat das US-Militär bei 67 Gelegenheiten Kampfflugzeuge aufsteigen lassen, um verdächtige Flugzeuge zu verfolgen (AP, 13.August 2002). Es ist gesetzliche Pflicht in den USA, daß Kampfflugzeuge zur Aufklärung starten, wenn ein Flugzeug bedeutend von seinem Flugplan abweicht. War diese Tatenlosigkeit einfach das Ergebnis von Leuten in Schlüsselpositionen, welche die Anzeichen nicht beachteten oder ignorierten? Oder könnten die US-Operationen zur Luftsicherung absichtlich zurückgehalten worden sein? Der frühere US-Generalbundesanwalt, John Loftus, sagte: "die von den europäischen Geheimdiensten gelieferten Informationen vor dem 9.11. waren so umfangreich, daß weder CIA noch FBI noch länger Unfähigkeit vorschützen können". Auch die Reaktion der USA nach dem 11.9. ist um kein Deut besser. Es wurde nie ein ernsthafter Versuch unternommen, bin Laden zu fangen. Ende September bis Anfang Oktober 2001 handelten Führer der beiden pakistanischen islamistischen Parteien bin Ladens Auslieferung an Pakistan aus, wo er wegen des 11.9. angeklagt werden sollte. Ein US-Beamter sagte jedoch bezeichnenderweise, "dem Sieg über unser Angriffsziel zu nahe zu kommen", berge das Risiko "eines frühzeitigen Zusammenbruchs des internationalen Bestrebens, wenn Herr bin Laden durch einen glücklichen Zufall gefangen würde". Der US-Vorsitzende der Gemeinschaft der Stabschefs, General Myers, ging sogar so weit zu sagen, daß "es nie das Ziel gewesen sei, bin Laden zu kriegen" (AP, 5. April 2002). Der FBI-Agent Robert Wright plauderte ABC News gegenüber aus (9. Dezember 2002), die FBI-Hauptquartiere wünschten keine Verhaftungen. Und im November 2001 beklagte sich die US-Luftwaffe, sie hätte im Verlauf der vergangenen sechs Wochen nicht weniger als 10 Mal al Qaida- und Taliban-Führer im Visier gehabt, aber nicht angreifen können, weil sie nicht schnell genug die Erlaubnis dazu bekommen hätten (Time Magazine, 13.Mai 2002). Keiner dieser zusammengetragenen Hinweise, die ausnahmslos aus öffentlichen Quellen stammen, läßt sich mit der Idee eines wirklichen, entschlossenen Krieges gegen den Terrorismus vereinbaren. Die Liste des Beweismaterials wird jedoch hinfällig, wenn man sie dem Plan des PNAC gegenüberstellt. In dessen Licht scheint der sogenannte "Krieg gegen den Terrorismus" als erschwindelte Tarnung, die zur Erlangung weitreichenderer strategischer geopolitischer Operationsziele benutzt wird. In der Tat wies Tony Blair selbst darauf hin, als er dem Unterhaus-Ausschuß sagte: "Um ehrlich zu sein gab es keinen anderen Weg, einen öffentlichen Konsens für einen plötzlichen Feldzug gegen Afghanistan herbeizuführen als das, was am 11.9. geschah" (Times, 17. Juli 2002). Ebenso war Rumsfeld so entschlossen, einen Grund für einen Angriff auf den Irak zu bekommen, daß er bei 10 verschiedenen Anlässen die CIA aufforderte Beweismaterials für eine Verbindung des Irak zum 11.9. zu liefern, die CIA kam wiederholt mit leeren Händen zurück (Time Magazine, 13.Mai 2002). In der Tat bot sich mit dem 11.9. ein außerordentlich bequemer Vorwand an, um den Plan des PNAC in die Tat umzusetzen. Die Beweislage dafür, daß die Pläne für die militärische Aktion gegen Afghanistan längst vor dem 11.9. zur Hand waren, ist ziemlich klar. Ein für die US-Regierung erstellter Bericht des Baker Institute of Public Policy vermeldete im April 2001, daß "die USA Gefangene ihres Energiedilemmas bleiben. Irak hat weiterhin destabilisierenden Einfluß auf... den Ölfluß auf den internationalen Markt aus dem Mittleren Osten". Vizepräsident Cheneys Arbeitsgruppe für Energiefragen unterbreitet, empfahl der Bericht, daß - weil dies ein unakzeptabel hohes Risiko für die USA sei, eine "militärische Intervention" vonnöten sei (Sunday Herald, 6. Oktober 2002). Eine ähnliche Beweislage existiert bezüglich Afghanistans. Die BBC berichtete (18.September 2001), daß Niaz Niak, einem ehemaligen pakistanischen Außenminister Mitte Juli 2001 von hochrangigen amerikanischen Beamteb erzählt wurde, daß "militärische Aktionen gegen Afghanistan Mitte Oktober losgehen würden". Bis Juli 2001 sah die US-Regierung das Taliban Regime als eine Quelle der Stabilität in Zentralasien an, die den Bau von Ölpipelines von den Öl- und Gasfeldern Turkmenistans, Usbekistans, Kasachstan durch afghanisches und pakistanisches Gebiet zum indischen Ozean ermöglichen würde. Aber mit der Weigerung der Taliban, die US-Bedingungen zu akzeptieren, erzählten ihnen die amerikanischen Repräsentanten "entweder ihr akzeptiert unser Angebot eines Teppichs aus Gold oder wir begraben Euch unter einem Bombenteppich (Inter Press Service, 15. November 2001). Angesichts dieses Hintergrunds überrascht es nicht, daß manche die Fehler der USA bei der Abwehr der Angriffe vom 11.9. als Erschaffung eines unschätzbaren Vorwands sahen, Afghanistan in einem Krieg anzugreifen, der ganz klar bereits im Vorfeld geplant war. Es gibt einen Präzedenzfall dafür. Die nationalen US-Archive enthüllen, daß Präsident Roosevelt genau diesen Lösungsweg benutzte im Bezug auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941. Einige vorausgehende Warnungen waren eingegangen, aber die Information erreichten nie die US-Flotte. Die sich daraus ergebende nationale Empörung verleitete eine widerstrebende Öffentlichkeit in den USA, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Ganz ähnlich gibt der Plan des PNAC an, daß der Prozeß der Umgestaltung der USA in "die dominierende Streitmacht von morgen" wahrscheinlich ziemlich lange dauern dürfte, es sei denn, "ein katastrophales und katalysierendes Ereignis - wie ein neues Pearl Harbor" fände statt. Die Angriffe vom 11.9. erlaubten den USA, den "Start"-Knopf zu drücken für eine Strategie in Übereinstimmung mit der PNAC Agenda, die andernfalls unmöglich hätte praktisch durchgeführt werden können. Die überwältigende Motivation für diese politische Nebelwand ist die Tatsache, daß sowohl den USA als auch Großbritannien der Nachschub an Energie aus Öl knapp wird. Um 2010 wird die islamische Welt 60% der Weltölproduktion kontrollieren und - sogar noch wichtiger - 95% der verbliebenen weltweiten Öl-Exportkapazitäten. Der Bedarf ist steigend, die Zufuhr sinkend, und das kontinuierlich seit den 60er Jahren. Das führt zu wachsender Abhängigkeit von ausländischem Öl-Nachschub gleichermaßen für die USA als auch Großbritannien. Die USA, die in den 60er Jahren 57% ihres Energiebedarfs durch eigene Förderung und Produktion deckten, werden den Voraussagen gemäß 2010 nur 39% ihres Bedarfs auf diese Weise decken. Ein DTI Minister hat zugegeben, daß es in Großbritannien bereits 2005 zu schweren Engpässen kommen könnte. Die Regierung hat bestätigt, daß 70% unserer Elektrizität 2020 aus Erdgas gewonnen wird, wovon 90% importiert werden müssen. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, daß Irak neben seinem Öl über eine Erdgasreserve von 3,1 Trillionen Kubikmetern verfügt. Ein Bericht des Ausschusses für nationale Interessen Amerikas erwähnte im Juli 2000, daß die vielversprechendsten neuen Quellen für die Ölversorgung der Welt in der kaspischen Region lägen und daß dies die USA aus der Abhängigkeit von Saudi-Arabien befreien würde. Zur besseren Verteilung der Versorgungsrouten vom Kaspischen Meer sollte eine Pipeline westlich in Richtung Aserbeidschan und Georgien bis hin zum türkischen Hafen Ceyhan verlaufen. Eine andere würde ostwärts quer durch Afghanistan und Pakistan verlaufen und in der Nähe der indischen Grenze enden. Dies würde Enrons belagertes Kraftwerk bei Dabhol an Indiens Westküste retten, in das Enron 3 Milliarden Dollar an Investitionen versenkt hat und dessen wirtschaftliches Überleben vom Zugang zu billigem Erdgas abhängt. Auch Großbritannien war nicht gerade desinteressiert an den verbliebenen Ölreserven der Welt, und das mag die britische Teilnahme an US-Militäraktionen teilweise erklären. Lord Browne, Präsident von BP, warnte Washington, den Irak in der Nachkriegszeit nicht unter den eigenen Ölgesellschaften aufzuteilen (Guardian, 30.Oktober 2002). Und als ein britischer Außenminister Gaddafi im August 2002 in seinem Wüstenzelt traf, hieß es, daß "Großbritannien nicht gegenüber anderen europäischen Nationen verdrängt werden wolle, welche sich schon drängeln um Vorteile bei potentiellen lukrativen Ölverträgen" mit Libyen (BBC, 10.August 2002). Die Schlußfolgerung aus dieser ganzen Analyse muß natürlich die sein, daß der "weltweite Krieg gegen den Terrorismus" alle Kennzeichen eines politischen Mythos aufweist, propagiert, um den Weg für eine völlig andere Agenda zu ebnen - das US-Ziel einer Welthegemonie, welche darauf aufbaut, sich das Kommando über die Ölvorräte mit Waffengewalt zu sichern, um das Gesamtprojekt am Laufen zu halten. Ist es wirklich ein erstrebenswertes Ziel für britische Außenpolitik, an diesem Mythos mitzustricken und als Juniorpartner an diesem Projekt teilzunehmen? Wenn es jemals notwendig war, eine objektivere britische Haltung zu rechtfertigen, angetrieben von unseren eigenen unabhängigen Zielen, liefert diese deprimierende Saga sicherlich alle für einen radikalen Kurswechsel nötigen Beweismittel. Impressum und Datenschutz contact: EMail |